Ich zumindest mag die neue Serie.
Schon wieder “vor Kirk”?
Ich finde die Entscheidung der CBS-Granden auch nicht so dolle, erneut in eine Ära zu gehen, die vor den bereits erzählten Geschichten angesiedelt ist – in diesem Falle “zehn Jahre vor Kirk”. Zehn, 20 oder gar 100 Jahre nach Voyager hätte ich viel spannender gefunden. Aber vermutlich wollte man dem neu zu gewinnenden Publikum nicht zumuten, die ganze Vorgeschichte kennen zu müssen – und sich nicht immer weiter von der vertrauten Gegenwart entfernen. Das würde ja in Science-Fiction ausarten.
Spaß beiseite. Die Entscheidung ist nun mal gefallen. Und auch wenn es die Sache für die Drehbuchautoren in meinen Augen sogar eher schwerer macht – schließlich müssen sie alle kommenden Ereignisse berücksichtigen –, werden sie sich schon was dabei gedacht haben. Viel entscheidender ist ohnehin: Wird eine spannende Geschichte mit interessanten Charakteren erzählt – und fühlt es sich trotz erforderlicher zeitgemäßer Herangehensweise noch irgendwie wie Star Trek an?
Falls der ein oder andere noch nicht Gelegenheit hatte, in die Serie reinzuschauen, vielleicht bereits an dieser Stelle:
WARNUNG VOR DEM SPOILER!
Mimimimimi! die Klingonen sehen ganz anders aus!
Um gleich das Gemecker über die vorab bekannten Dinge abzuhaken: Ja, die Klingonen haben ein neues Design verpasst bekommen. Meine Güte! War nach TOS dasselbe – und die Erklärung, warum die in den Filmen auf einmal anders aussahen, hat man uns auch erst Jahrzehnte später nachgeschoben (als eigentlich niemand mehr danach gefragt hat). Natürlich sieht auch sonst alles moderner aus, als bei Kirk. Wäre ja auch etwas merkwürdig, wenn nicht, oder? Da finde ich schon schwerwiegender, dass Spock auf einmal eine Stiefschwester hat, von der nie die Rede war – allerdings hat man von Sybok ja auch nie wieder was gehört.
An der Stelle möchte ich auf diese interessante Einordnung in die bisher bekannte Star-Trek-Historie hinweisen, die das Templin Institute kurz vor Ausstrahlung der ersten Episode erstellt hat:
Vulkanisches Hallo
Aber zu den Fakten. Unter obigem Titel ging am 25.9. die erste Folge Discovery auf Sendung. Seitdem sind vier Folgen erschienen, in denen folgendes geschah: Bei einer Forschungsmission gerät das Föderationsschiff Shenzou an Klingonen, mit denen man schon eine ganze Weile nicht mehr zu tun hatte. Diese sind eigentlich in ihre 24 Häuser zerstritten und haben lange keine Ambitionen gezeigt, zu expandieren. Das will der fanatische T’Kuvma ändern, der hier auf der Lauer liegt, um die Häuser gemeinsam in einen Krieg gegen die Föderation zu führen. Sein Plan gelingt, die Shenzou und weitere Schiffe lassen sich in ein Gefecht verwickeln, der gewünschte Krieg bricht aus – auch wenn T’Kuvma selbst nicht überlebt.
Auf Seiten der Föderation endet das Gefecht ähnlich verheerend. Zudem gibt man hier die Schuld an dem Desaster dem Ersten Offizier Michael Burnham, die durch eine Meuterei eigentlich schlimmeres verhindern wollte. Dazu muss man wissen, dass sie von dem Vulkanier Sarek (niemand geringeres als Spocks Vater) aufgezogen worden war, nachdem ihre Eltern bei einem klingonischen Angriff ums Leben kamen. Zudem macht sie sich die vulkanische tit-for-tat-Strategie zu eigen, bei Begegnungen mit Klingonen immer gleich zu schießen. Das “vulkanische Hallo” eben.
Das geht wie gesagt alles schief. Allein auf Seiten der Föderation sterben über 800 Individuen in dem Gefecht und Burnham wird wegen Meuterei zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Übrigen spielt das auf eine Äußerung Picards in der vierten TNG-Staffel an. Besonders interessant dabei: Picard hatte sich da bereits mit Sarek verschmolzen, der sich 100 Jahre zuvor mit Burnham verschmolzen hatte.
Sechs Monate später gerät sie bei einem Gefangenentransport mehr oder weniger zufällig an Bord des mysteriösen Föderationsschiffes Discovery. Captain Lorca entwickelt schnell großes Interesse an Burnhams Fähigkeiten und bietet ihr an, an Bord Dienst zu tun. Es war wohl eher weniger zufällig. Es stellt sich heraus, dass die Discovery mit einem experimentellen Antrieb unterwegs ist, der sie in Nullzeit an jeden Punkt der Galaxis versetzen kann. Das ist alles noch mit reichlich Schwierigkeiten verbunden – und Lorca scheint nur wenig zimperlich und noch rabiater als dereinst Sisko zu sein.
Burnham fügt sich auf jeden Fall sehr langsam in die Crew und ihre neue Rolle ein, bleibt dabei aber voller Schuldgefühle. Die Möglichkeiten der Discovery verbessern sich und die Chancen, den Krieg gegen die Klingonen doch noch schnell zu gewinnen, steigen. Allerdings sind die auch nicht untätig.
Einschub: Axanar
Irgendwann hatte ich ja mal spekuliert, dass CBS/Paramount gerade deswegen so einen Stress mit den Machern des Fanprojekts Star Trek: Axanar vom Zaun gebrochen haben, weil sie mit ihrer damals noch geplanten neuen Serie ganz ähnliches vorhatten. Ich würde mal sagen, das hat sich bestätigt. Laut Discovery bricht der Krieg mit den Klingonen im Jahr 2256 aus – und die Schlacht von Axanar (mit einem Kadetten Kirk vor Ort) wird im selben Jahrzehnt verortet.
Ist das noch Star Trek?
An der Frage scheiden sich die Geister wohl am ehesten. Um es kurz zu machen: Ich staune, wie viel Star Trek da tatsächlich drinsteckt – obwohl die modernere Erzählweise (Fokus auf einen Charakter, der nicht der Captain ist, fortlaufende Handlung, viel mehr Charakterentwicklung) sich zwangsläufig von den alten Serien abhebt.
Und damit meine ich nicht nur den Tribble auf dem Schreibtisch des Captains. Jede Folge ist gespickt mit Anspielungen bis in die Animated Series hinein. Indirekt wurde Spock bereits erwähnt, die Verbindung zu einer Picard-Anmerkung habe ich schon genannt. Und dann ist da ja noch Sektion 31, die geheime Sternenflottenorganisation, die losgelöst von allen Strukturen und moralischen Erwägungen Sicherheit und Einheit der Föderation garantieren soll. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Discovery unter der Kontrolle von Sektion 31 steht (schwarze Deltas auf einigen Uniformen, Kennummer NCC 1031), was die ganze Sache extrem spannend macht.
Aber was ist mit dem Optimismus und der Utopie? Naja, die gilt es doch zu verteidigen beziehungsweise wieder herzustellen. Das ganze beginnt mit der naiven offenherzigen Föderation, die in einen schrecklichen Krieg getrieben wird und darin ihre Utopie nicht verlieren darf. Hatten wir bei DS9 auch alles schon mal. Insofern: Na klar ist das Star Trek! Oder hättet ihr ernsthaft lieber sowas hier?
Aber ist es denn auch gut?
Mir gefällt die Serie jedenfalls. Die Charaktere sind hoch interessant, die Konflikte sind spannend, die Dramaturgie ist manchmal etwas holperig aber stringent, die behandelten Themen sind relevant und das Szenario faszinierend. Von der Qualität der Optik, der Effekte und der wichtigeren Schauspieler brauchen wir nicht zu reden. Ich verweise hier aber am besten auf Björn Sülter, der bei Robots & Dragons sehr fundierte Kritiken zu den Einzelepisoden schreibt, die ich bisher alle so unterschreiben kann:
- Kritik zu Star Trek: Discovery 1.01 & 1.02 – Das Vulkanische Hallo & Kampf beim Doppelstern
- Kritik zu Star Trek: Discovery 1.03 – Context is for Kings
- Kritik zu Star Trek: Discovery 1.04 – The Butcher’s Knife Cares not for the Lamb’s Cry
Wie auch immer, ich freue mich auf den kommenden Montag und die nächste Folge.
Und jetzt lassen wir uns den Sporenantrieb noch mal erklären. Hey! Klingt ja doch gar nicht so blöde – wenn auch mehr nach Perry Rhodan denn nach Star Trek.