Diese lose Sammlung meiner Überlegungen dient vor allem der Vorbereitung einer mit Spannung erwarteten Podcast-Aufnahme, in der Robert, Andres und ich ein für alle Mal klären wollen, was an dieser Serie mehr – und was weniger gelungen war.
Warum die Mühe? Nun, eine solche Serie wurde von uns dreien – und vermutlich von vielen Star-Trek-Fans unserer Generation – lang erhofft. Ihre Ankündigung hatten wir damals mit großer Begeisterung aufgenommen, schließlich hatte uns TNG in unserer Jugend lange Zeit begleitet und geprägt. Aber wie das mit der Nostalgie immer so ist – sie ist zumindest kein Selbstläufer.
Schon nach Staffel eins hatten wir uns intensiv mit Picard und unserem Hadern damit auseinandergesetzt, ich hatte das damals bereits in einem Blogpost zusammengefasst. Nun soll das große Gesamtfazit folgen. Hier meine ersten Stichpunkte dazu. Wie immer mit einer ausdrücklichen
WARNUNG VOR DEM SPOILER
Was gut war
Star Trek geht weiter: Grundsätzlich hat mich gefreut, dass die Entwicklungen im Star-Trek-Universum nach Voyager und Nemesis endlich weitererzählt werden. So schön ich ENT, DISCO und die Kelvin-Filme finde1 – immer nur und ausschließlich auf die Anfangszeit zurückzugreifen, ist doch auch nichts. Die Lücke zwischen der Vernichtung der Scimitar und dem Burn will endlich gefüllt werden. Lower Decks und Prodigy machen das aktuell ganz hervorragend. Dass sich Picard hier einreiht, hat mich von Anfang an begeistert – zumal gleich zu Beginn auch die Prime-Universe-Ereignisse aus dem Star-Trek-Reboot von 2009 kanonisiert wurden.2 Picard verspricht also, dass wir endlich erfahren, wie es weitergeht – was mich gleich zum nächsten positiven Punkt bringt.
Die Ausgangssituation: Der Punkt, an dem wir Jean-Luc Picard und das Star-Trek-Universum zu Beginn der Serie antreffen, ist für mich noch immer reizvoll. Es wird auf dem aufgebaut, was wir aus der Zukunftsvision der letzten TNG-Folge erwarten, wie bereits erwähnt mit dem verknüpft, was in JJ Abrams Star Trek festgelegt wurde, und man darf hoffen, dass darauf aufgebaut wird. Mit dem Trauma um Datas Opfertod in Nemesis hat Picard einiges zu knabbern, für ausreichend Motivation ist also auch gesorgt. Der KI-Plot fügt etwas halbwegs neues hinzu, was diese Gemengelage noch einmal befeuern kann. Mit am besten gefällt mir allerdings das Start-Ensemble, das dem etwas pötterigen ehemaligen Sternenflottenadmiral ein romulanisches Ex-Agenten-Ehepaar als Haushälter zur Seite stellt. Eine Schande, dass dieses Potential schon nach zwei Folgen so mutwillig ins Klo gespült wurde. Aber halt! Ich bin noch bei den positiven Dingen, dazu also später mehr. Die Sache mit den interessanten Ausgangssituationen zieht sich durchaus durch die ganze Serie. So finde ich, dass der Beginn der zweiten Staffel durchaus Potential hat, gleiches gilt für einige Voraussetzungen in Staffel drei. Doch zurück zu Picards Haushälterehepaar und somit zum nächsten positiven Punkt.
Ein paar gelungene Charaktere: Meine absoluten Favoriten der ersten Staffel sind besagte Eheleute, die romulanischen Ex-Agenten Laris und Zhaban – allerdings ausdrücklich nur in der Darstellung der beiden ersten Folgen. Wie später mit ihnen verfahren wurde, hat mir überhaupt nicht gefallen – doch dazu gleich mehr. In Staffel zwei hat mir vor allem die junge Guinan sehr zugesagt.3 Mein Favorit in Staffel drei ist natürlich Captain Shaw, unter den “alten Zöppen” ist Worf für mich der gelungenste.
Das Finale: Der Schluss der Serie hat mich nach viel Quälerei – dazu kommen wir jetzt gleich – wieder halbwegs versöhnt. Das Wiederaufleben der guten alten Zeit ist – auch wenn ich so etwas eigentlich immer skeptisch sehe – nett. Viel interessanter sind der Ausblick und die Anknüpfungsmöglichkeiten für kommende Geschichten, die am Ende der Serie zurückgelassen werden. Ob das unbedingt in einer eigenen Serie erzählt werden muss, sei dahingestellt. Aber wenn die Enterprise G irgendwann einmal bei Prodigy oder Lower Decks durchs Bild schippert, würde mir das durchaus ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.
Was schlecht war
Das miese Preis-Leistungs-Verhältnis: Ich glaube, das Grundproblem dieser Serie ist das zu geringe Budget beziehungsweise der adäquate Einsatz desselben. Dabei rede ich gar nicht mal von den Effekten, den Rolltreppen und den Ikealampen. Ja, die ewig schlechte Beleuchtung und diese besch***ene Bar, in der jede zweite Szene spielt, ist auch mir auf die Nerven gegangen. Aber all das hätte ich anstandslos ertragen, wenn das vorhandene Geld vor allem in gute Drehbücher und eine vernünftige Regie gesteckt worden wäre. Zum Ausgleich hätte es gern nur halb so viele Episoden geben dürfen. Das hätte dem Ganzen mit Sicherheit sehr gutgetan und uns wäre womöglich die vollkommen wirre Handlung der zweiten Staffel erspart geblieben. Zumindest einer der folgenden Punkte, ist meiner Ansicht nach eine direkte Folge daraus.
Die furchtbare Charakterentwicklung: Diese Serie hat ein untrügliches Gespür dafür, jede halbwegs interessante Figur kaputtzuschreiben – oder sie gleich von Anfang an grottig zu konstruieren. Laris und Zhaban sind das Paradebeispiel für ersteres. Die interessanteste Konstellation der gesamten Serie wird nach Folge zwei einfach weggelassen, in Staffel zwei ist Zhaban dann einfach mal offscreen verstorben – und Laris wird zu einem weirden Loveinterest für Picard konstruiert. Von Tallinn wollen wir gar nicht erst anfangen. Ist irgendwo mal erklärt worden, warum die wie Laris aussieht? Furchtbar! Brent Spiners unsägliche Figur in Staffel zwei steht idealtypisch für die von Anfang an verkorksten Figuren. Was für ein hanebüchener Unsinn!
Die “düstere” Föderation: Was sollte diese ständige Raucherei? Kam das wenige Geld für die Produktion von der Tabakindustrie? Was ist aus der utopischen Föderation geworden? Und selbst wenn man einen leichten Niedergang darstellen will, muss das unbedingt durch Suff und Drogenkonsum geschehen? In diese Kerbe schlägt meiner Meinung nach auch der unsägliche Umgang mit der psychischen Erkrankung von Picards Mutter in Staffel zwei. Und hier käme nicht einmal ein angenommener Niedergang der Föderationsutopie zum tragen, da Picards Kindheit lange vor den Borg und dem Dominionkrieg lag. Um es noch einmal auszusprechen: In einer Zeit, in der man mit einer Pille Nieren nachwachsen lassen kann, muss man in einem Vorort der Föderationshauptstadt eine psychisch erkrankte Person nicht in ihr Zimmer einsperren. So ein Schwachsinn!
Fazit
Um mich nicht in Rage zu schreiben, breche ich die Auflistung der nicht so positiven Punkte hier einmal ab. Ich hätte mich sonst zu sehr in einzelnen Plotpunkten festgebissen, das ist eher was für die Tonspur.
Außerdem gibt es da draußen sehr viele, denen die Serie schlicht und einfach gefallen hat. Und ich möchte nicht der Miesepeter sein, der allen anderen den Genuss verdirbt. Mir hat’s halt nicht so gefallen – ich freue mich aber für alle, bei denen es anders war. Und schließlich gibt es auch für mich gerade eine Vielzahl hervorragender neuer Star-Trek-Shows, die mich begeistern können: DISCO, Lower Decks, Strange New Worlds, Prodigy – das ist alles ganz wunderbar und darin hat Picard alles recht der Welt respektiert zu werden.
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