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Lesetagebuch: “Kinder der Drohne” von Neal Asher – Nennt mich Buchbezwinger!

Vor nunmehr zwei Monaten stellte ich Ace Kaiser im Rahmen des Lesezwingers die Aufgabe, mir ein Buch zu finden, in dem die Herrschaft der Maschinen positiv dargestellt wird.

Er bot mir Kinder der Drohne von Neal Asher als Lösung an – ich las das Buch und war recht angetan. Was auch schon wieder einen Monat her ist. Hier nun endlich meine ultimative Rezi dazu – sogar ziemlich Spoilerfrei.

“Kinder der Drohne” – ein Einzelroman aus dem Polis-Universum

Neal Asher war mir zuvor kein Begriff. Wie jeder SF-Autor, der was auf sich hält, hat auch er den ein oder anderen Romanzyklus am Start, darunter die Polis-Reihe. Die Polis ist das zukünftige interestellare Menschenreich, das jedoch von wohlmeinenden KIs regiert wird. So weit so passend im Sinne der Aufgabe. Kinder der Drohne ist nun ein unabhängiger Einzelroman aus diesem Universum, der im wahrsten Sinne am Rande der Polis-Handlung spielt. Schauplatz ist nämlich ein Sonnensystem, das von Menschenabkömmlingen bewohnt wird, die seit über tausend Jahren von der restlichen Menschheit (und somit der Polis) abgeschnitten sind – bzw. waren. Denn die Handlung setzt in dem Moment ein, in dem dieses System von der Polis wiederentdeckt und vorsichtig kontaktiert wird.

Interessantes Setting

Was mich gleich angesprochen hat, war das Setting, das Asher als Bühne für den Roman bereitet. Handlungsort ist ein Sonnensystem mit zwei (gerade so) bewohnbaren Planeten, die vor über tausend Jahren von Menschen besiedelt worden sind. Da beide Planeten jeweils unterschiedliche genetische Anpassungen erforderlich machten, haben sich schon früh zwei extrem unterschiedliche Gesellschaften auf Sudoria und Brumal entwickelt. Weitere historische Umstände haben dazu geführt, dass beide Kulturen schnell einen rapiden kulturellen und technischen Rückfall erlebten, den Kontakt zur Erde und auch zueinander verloren. Erst Generationen später war man wieder in der Lage, in den Weltraum vorzudringen und einander erneut zu begegnen – was in einen jahrhundertelangen Krieg mündete, der immer dann aufflammte, wenn beide Planeten in Konjunktion zueinander standen und man mit relativ geringem Aufwand rüberfliegen und ein paar Bomben abwerfen konnte. Die Subraumtechnologie hatte man nicht wieder entdeckt, sodass man in dem System für Jahrhunderte unter sich blieb.

Wurm, Tiger und Virus

Die Handlung setzt zu einem Zeitpunkt ein, an dem dieses Sonnensystem von der Polis, dem Sternenimperium der Menschheit, wiederentdeckt wird. Eine autonome Drohne, die sich selbst “Tigger” nennt, ist im Auftrag der Polis auf geheimer Erkundungsmission unterwegs. Sie sammelt Daten und analysiert die aktuelle Situation. Demnach hat der ewige Krieg zwischen Sudoria und Brumal gerade ein Ende gefunden, da Sudoria ein unbekanntes Artefakt aus dem Weltraum gefischt hat, das schlicht “Wurm” genannt wird. Dessen Erforschung hat Sudoria einen derartig großen technologischen Vorsprung verschafft, dass der Planet innerhalb kürzester Zeit schreckliche Massenvernichtungwaffen entwickeln konnte. Mit einem an Völkermord grenzenden Vernichtungsschlag konnte Sudoria den Krieg so für sich entscheiden. Kurz darauf nimmt die Polis mit Sudoria per Subraumboje Kontakt auf und schickt einen Botschafter für erste Verhandlungen. Sudoria ist eine paranoide Militärdiktatur (tatsächlich wird das politische System etwas komplexer dargestellt – aber letztlich läuft’s darauf hinaus) und verbietet den Import fremder Technologie. Die Polis – in Person der lokalen regierenden KI – schickt daher einen “normalen” Menschen, der mittels eines Virus rein biologisch so aufgebrezelt wurde, dass er allen Sudoriern und Brumaliern himmelhoch überlegen ist.

Die titelgebenden Kinder

Die eigentlichen Hauptfiguren sind jedoch vier sudorische Geschwister, je zwei junge Frauen und Männer, die auf sehr mysteriöse Weise auf der Forschungsstation zur Welt kamen, auf der der “Wurm” untergebracht ist. Diese vier stechen durch überragende Intelligenz aus der restlichen sudorischen Bevölkerung hervor und haben jeweils unterschiedliche Karrieren durchlaufen, die sie an verschiedene Schlüsselpositionen der sudorischen (und sogar brumalischen) Gesellschaft befördert haben. Dem geneigten Leser wird dadurch schon recht früh klar, wo der Wurm im Pfeffer liegt – und man wundert sich manchmal ein bisschen, wieso es den anderen Protagonisten nicht so geht.

Komplex und spannend bis …

Dennoch hat mich die spannende Handlung, die durchaus zu dem komplexen Setting passt, gefesselt und bei der Stange gehalten. Auch sonst gab’s im Großen und Ganzen nur wenig zu meckern. Anfänglich hat mich die etwas holperige und schlichte Sprache etwas irritiert, was aber auch an der Übersetzung gelegen haben mag (Railguns werden tatsächlich mit Schienenkanonen übersetzt) – zudem muss man es mit der Sprache ja auch nicht wie bei “Quantum” und “Fraktal” auf die Spitze treiben. Etwas enttäuschend war dann auch das Ende, da man hinter der offensichtlichen Auflösung noch ein tieferes Geheimnis erwartete. Da kam dann tatsächlich auch was – aber das war dann doch etwas dürftig. Alles in Allem war es dennoch ein kurzweiliger Lesespaß, der durchaus Lust auf das Polis-Universum macht.

Aufgabe erfüllt?

Aber was war denn nun mit der positiven Darstellung der Herrschaft der Maschinen? Da der Roman ja nun außerhalb der Polis spielte und nur zwei Bürger dieses KI-regierten Staatengebildes direkt beschrieb (Tigger – immerhin selbst eine KI – und der transhumane Botschafter), bekam der Leser von der Herrschaft der Maschinen gar nicht so viel mit. Abgesehen von einem kurzen Dialog zu dem Thema, in dem der Botschafter das System der Polis verteidigt, wird sie auch nie sonderlich positiv dargestellt – aber auch nicht negativ (von einem Aspekt der Auflösung der Geschichte mal abgesehen). Aber vielleicht ist die Aufgabe gerade durch die Normalität, die durch die fehlende Bewertung entsteht, sehr wohl erfüllt. Weder Tigger noch der Botschafter machen sich überhaupt Gedanken darüber, ob es gut oder schlecht ist, von gigantischen KIs beherrscht zu werden. Und selbst der negative Aspekt am Ende ist eher ein Ausdruck undurchschaubaren Regierungshandelns, denn der Kälte der Maschinenherrscher.

Dritter im Bunde der Buchbezwinger

Ich habe das Buch wie gesagt mit großer Freude gelesen und werde Neal Asher einstweilen auf dem Radar behalten. Damit schließt sich für mich der Kreis des Lesezwingers jedoch fürs erste und ich reihe mich mit Stolz in den Reigen der Buchbezwinger ein:

Lesetagebuch: Perry Rhodan Neo

Kampfstern Galactica hat es getan, Star Trek hat es getan, Marvel und DC tun’s ständig (letztere gerade in extremem Maße) – da ist es nur folgerichtig, dass Perry Rhodan sich auch mal dran versucht: am kompletten Neustart, Reboot, Reload, oder wie auch immer man es nennen möchte.

Die Idee ist so naheliegend, dass sie natürlich schon seit Jahren wenn nicht Jahrzehnten immer mal wieder im Fandom diskutiert wird – und sicher auch schon länger den PR-Autoren und -Redakteuren im Kopf herumspukt.

So wird jeder zweite PR-Fanautor sein eigenes Konzept dafür auf der Festplatte schlummern haben (auf einer gemeinsamen Idee basiert zum Beispiel Alex Kaisers Ultimate Perry Rhodan – und unser Rhodan-reloaded-Projekt hatte natürlich dieselbe Grundidee).

Die Zukunft beginnt von vorn …

Zum 50-jährigen Jubiläum der Perry Rhodan Serie machte man auch von offizieller Seite ernst mit dieser Idee. Parallel zur klassischen Erstauflage erscheint seit vergangenen Freitag mit Perry Rhodan Neo der Neustart des Perryversums.

Da ich der Grundidee eines Reboots der klassischen Handlung sehr zugetan bin, habe ich mir den ersten Band Sternenstaub von Frank Borsch sogleich zugelegt und gelesen. Um das Urteil vorweg zu nehmen: Es hat mir gar nicht gefallen. Das werde ich im Folgenden etwas detaillierter begründen.

Warum das Ganze?

Wenn man den Neustart einer Serie unternimmt, sollte man meiner Meinung nach dabei gewisse Kriterien erfüllen. Schließlich gibt es durchaus Gründe, das zu tun (jetzt mal abgesehen vom Erschließen neuer Zielgruppen und Käuferschichten), denen man genügen muss.

Hauptgrund ist sicher, eine zeitlose gute Geschichte, deren Entstehungsumfeld vielleicht ein wenig angestaubt ist, in eine neue Zeit zu übertragen. Liest man den ersten Band der Originalserie Unternehmen Stardust von K. H. Scheer (was ich kürzlich erst getan habe), kann man den Eindruck gewinnen, dass so etwas angebracht wäre.

Bei der Gelegenheit kann man gern ein paar Plot-Lücken, Stilblüten und Logik-Schnitzer ausbügeln. Und schließlich muss ein Sahnehäubchen drauf – etwas neues, besonderes, ein Clou, eine kleine Änderung der Originalhandlung, um ihr eine interessante Variante zu verpassen. Plus ein paar Anspielungen für die Altfans als Streusel.

Das alles will wohl dosiert sein. Die einhellige Meinung ist, dass dies bei Galactica, Star Trek, dem Marvel-Ultimate-Universum und dem DC-Neustart recht gut gelungen ist. Warum bei Perry Rhodan Neo nicht?

Enterprise Sternenstaub

Scheers Originalband fasziniert durch die technisch akkurate und dennoch spannende Schilderung des Mondflugs, den Anspruch, die Historie der Menschheit “realistisch” fortzuschreiben und die Vision, die damals akute Bedrohung des atomaren Weltuntergangs zu überwinden. Diese Faszination hätte eine neue Version aufgreifen müssen.

Scheers Originalband krankt (wie die ganze Serie) an der nachvollziehbaren Darstellung von Öffentlichkeit und gesellschaftlichen Zusammenhängen, an der Beschreibung der außerirdischen Arkoniden und des Ersten Kontakts mit ihnen, sowie an den Handlungsschwächen, dass niemand sich an der faktischen Menschenähnlichkeit der Fremden stört und diese nicht in der Lage sind, Leukämie zu heilen. An diesen Schwächen hätte eine neue Version arbeiten können – und auf gar keinen Fall neue hinzufügen dürfen.

Ich zumindest hätte mir von Borschs Sternenstaub einen technisch korrekten Mondflug, eine realistisch dargestellte Zukunft (in diesem Fall des Jahres 2036), und einen faszinierenderen Ersten Kontakt mit den Arkoniden gewünscht. Bekam ich aber nicht.

Enttäuschender Mondflug

Ich werde im weiteren Verlauf recht genau auf die Handlung eingehen, um ihre Merkwürdigkeiten ausreichend darlegen zu können. Ab hier  gilt daher eine

WARNUNG VOR DEM SPOILER

Gleich auf den ersten Seiten musste ich mir die Frage stellen: Hat Frank Borsch jemals einen Shuttle-Start verfolgt? Wenigstens lässt er auch Bully und Rhodan rätseln, warum sie zu Fuß zur Rakete marschieren müssen – eine Auflösung gibt’s aber weder für sie noch für den Leser.

Warum die schon bei Scheer dämliche Pressekonferenz ihren Weg in die neue Version finden musste, erschließt sich mir auch nicht ganz. Ich habe den letzten Shuttle-Start per Internet-Livestream verfolgt. Ich glaube kaum, dass es in 25 Jahren noch Pressekonferenzen mit physischer Anwesenheit geben muss.

Dabei hab ich übrigens auch gut sehen können, dass die Astronauten mindestens zwei Stunden vor dem eigentlichen Start in ihre Sitze eingebaut werden. Bei Sternenstaub wirkte es so, als stiegen Perry und Co. in die Stardust (oh, Entschuldigung – STARDUST!) und flögen fünf Minuten später los.

2036?

Der Roman scheitert gleich zu Anfang daran (später legt sich das allerdings ein wenig), die Zukunft der Welt in 25 Jahren nachvollziehbar darzustellen. Ja, dieses Internet wird irgendwo am Rande erwähnt.

Hallo? Schon heute twittern Astronauten von der ISS. Den Shuttle-Livestream hatte ich bereits erwähnt. Spätestens in zehn Jahren wird jeder Mensch mit einem internetfähigen Kleinstcomputer durch die Gegend latschen, überall auf alle Informationen Zugriff haben und mit jedem kommunizieren können. Von Outernet und Augmented Reality will ich gar nicht erst anfangen.

Die Internet-Community müsste ein allgegenwärtiger Akteur in einem Roman aus dieser Zeit sein. Dafür gibt’s aber 2036 bemannte Mondbasen – trotz kaputtgesparter bemannter Raumfahrt. HÄ!?!

Ich sehe ein, dass es aus heutiger Sicht schwierig zu erklären ist, warum in 25 Jahren überhaupt zum Mond geflogen werden muss. Im Kalten Krieg war’s halt ein Prestige-Wettlauf – warum hätte es das 2036 nicht wieder sein können? Zum Beispiel im Wettlauf mit China. Stattdessen ist die STARDUST eine verzweifelte Rettungsmission für die bemannten Basen auf dem Mond, die sich nicht mehr melden. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: HÄ!?!

Also einerseits wird gesagt, dass es nur eine Prototyp-Rakete für den Mondflug gibt. Aber wie ist die Besatzung der Mondbasen denn auf den Mond gekommen? Wie wird sie versorgt und ausgetauscht? Und WARUM sind die da oben?

Mal abgesehen davon, dass am Ende des Romans keiner mehr einen Gedanken daran verschwendet, dass die Arkoniden die anscheinend alle abgemurkst haben. “Helfen wir doch dem armen leukämiekranken Crest, der mehrere Dutzend Menschen auf dem Gewissen hat.”

Handlungsebenen

Dem Mondflug der Astro-Helden werden noch zwei weitere Handlungsebenen auf der Erde zur Seite gestellt. Wie im Originalroman hat der gute Mercant seinen Auftritt – hier allerdings nicht als IIA-Chef, sondern als relativ kleines Homeland-Security-Licht. Eine der wenigen guten Ideen. Naja, eigentlich die einzige.

Dieser Mercant weiß um die Katastrophe, auf die die Welt zusteuert, und will sie mit seinen Mitteln verhindern. Indem er nämlich mit Gleichgesinnten gegnerischer Machtblöcke paktiert und gewisse militärische Anlagen sabotiert.

Als neue Idee und Handlungsebene wird der Shelter von John Marshall hinzugefügt. Der Australier der Originalserie wird hier zum Amerikaner, der nach einer Karriere als Banker seine soziale Ader entdeckt hat und ein Heim für Straßenkinder betreibt. Dabei läuft ihm ein gewisser Homer G. Adams als geheimnisvoller Gönner über den Weg – und es scheinen sich vor allem Kinder mit besonderen Begabungen um ihn zu sammeln.

Zudem soll diese Ebene den desolaten Zustand der Welt verdeutlichen. Die soziale Schere geht weltweit immer weiter auseinander, Finanzkrisen drohen und so weiter und so fort. Es ist bezeichnend, dass die Handlungsebene auf dem Mond die schwächste ist.

Damoklesschwerter

Scheer musste 1961 nicht groß erklären, warum die Welt am seidenen Faden hängt. Der Dritte Weltkrieg – gleichbedeutend mit der nuklearen Apokalypse – war ein allgegenwärtiges Schreckens-Szenario. Borsch tut sich sehr schwer damit, in der 2011er Version eine ähnlich eindringliche Bedrohung aufzubauen. Schon der Klappentext ist sich nicht einig, was genau nun das Problem sein soll: Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe, Finanzkrise, Terrorismus, es ist irgendwie alles auf einmal – aber nichts davon konkret.

Der Meeresspiegel ist wohl gestiegen (daher kann man auch nicht mehr von Cape Canaveral aus starten, sondern muss Nevada Fields nehmen), die Zahl verheerender Hurricanes hat wohl zugenommen, irgendwie ist wohl die soziale Schere weltweit weiter auseinander gegangen, Finanzkrise ist auch ein gutes Schlagwort. Naja, und irgendwie haben wir auch wieder einen kalten Krieg mit China und Großrussland inklusive Stellvertreter-Kriegen und atomarer Bedrohung.

Wer ist hier eigentlich der Titelheld?

Wer noch nie was von Perry Rhodan gehört hat und als erstes dieses Neo-Bändchen in die Hände kriegt, wird sich vermutlich die Frage stellen, wieso die Serie überhaupt Perry Rhodan heißt. Warum nicht Reginald Bull? Oder John Marshall? Oder Leslie Pounder?

Es ist durchaus ein richtiger Ansatz, die Sidekicks des Helden nicht durchgehend wie Deppen darzustellen – aber irgendwie sollte Rhodan schon als Hauptheld aus den anderen hervorragen. Man gewinnt hier den Eindruck, dass das visionäre Element und die Sorge um die Situation der Menschheit komplett von Bully übernommen wird.

Es ist nicht mal Rhodan, der als erstes erkennt, dass man es auf dem Mond mit Außerirdischen zu tun hat. Dass weiß sogar Pounder schon – und es wirkt fast so, als habe er Rhodan eigentlich gezielt da rauf geschickt, um so zu handeln, wie er es dann auch tut. Zudem deutet sich an, dass noch bevor Rhodan überhaupt den Plan fasst, in der Gobi zu landen, bereits ein Netzwerk von Physikern und Geheimdienstlern (Mercant und Pounder) an einer Art Weltrevolution arbeitet. Rhodan als Erfüllungsgehilfe. Es bleiben eigentlich nur seine Pilotenkünste – Rhodan als Fahrer.

Das Heldentum Rhodans wird durch keine Eigenleistung begründet. Hier krankt Neo vermutlich am selben Phänomen, wie die Hauptserie. Es gelingt den Autoren nicht mehr, Rhodan darzustellen. Sie wollen den jovial-autoritären Scheer-Pragmatiker nicht – scheuen aber auch vor dem verträumt-abgehobenen Voltz-Visionär zurück. Es bleibt (so zumindest mein Stand von Band 2200) ein unbestimmter wischiwaschi-Lavierer. So erscheint er mir auch bei Borsch: Rhodan soll bloß nichts befehlen – soll aber auch bloß keine visionäre Meinung haben. Und warum muss dann die Serie nach ihm benannt sein?

Ganz nebenbei

Ich  hätte mich echt gefreut, wenn man bei Neo auf dieses dämliche Perry-Rhodan-Sprech Gravos verzichtet hätte. Das heißt “g” oder meinethalben “G-Kräfte”, verdammt!

Unstimmigkeiten

Auch in der neuen Version scheint es niemanden zu stören, dass die Arkoniden ganz offensichtlich Menschen sind. Manoli macht zwar eine beiläufige Bemerkung, die er aber selbst wohl nicht allzu ernst nimmt. Und natürlich können auch diese Arkoniden nicht Leukämie heilen.

Als wäre das nicht genug, packt Borsch (bezieheungsweise der Expokrat) aber noch ein paar neue Unstimmigkeiten hinzu: den Quark mit den Mondbasen hatte ich bereits erwähnt. Richtig bescheuert fand ich den Plastiksprengstoff, den Bully zufällig dabei hat – ohne, dass er dann auch noch zum Einsatz kommt. Die Atombombe im Mond-Buggy fällt in eine ähnliche Kategorie.

Es ist auch nicht konsequent klar, wer jetzt eigentlich von den Außerirdischen weiß. Anscheinend ist es den Regierungen und Geheimdiensten auf der Erde bekannt – oder nicht? Mal weiß Bully davon – und dann tut er auf einmal wieder ganz erstaunt.

Letzter Kontakt

Der Erste Kontakt mit den Arkoniden – eigentlich doch der Schlüsselmoment des Romans – gerät zu einer müden Veranstaltung, die eher nebenher abgehandelt wird. Irgendwelche Schießereien in Greater Houston scheinen da wichtiger zu sein.

Ich weiß nicht, was die Ursache für das Scheitern des Neustarts ist – aber ich habe das Gefühl, dass versucht wurde, einen alten Perry-Rhodan-Roman wie einen neuen Perry-Rhodan-Roman zu schreiben. Das  ist in meinen Augen nicht konsequent genug. Man hätte versuchen müssen, einen alten Perry-Rhodan-Roman wie einen modernen SF-Roman zu schreiben.

Ich hatte ja so ein bisschen gehofft, mit PR Neo wieder zu meiner alten Liebe zurückzufinden – die Hoffnung hat sich zerschlagen. Dieser Perry-Rhodan-Fan hat seinen Abschied genommen.

Lesetagebuch: Krieg der Klone von John Scalzi

Abschreckender Titel

Zunächst mal ein Wort an die Marketing-Abteilung des Heyne-Verlags – oder wer dort auch immer die Übersetzung des Originaltitels Old Man’s War zu verantworten hat: Der deutsche Titel ist wirklich selten dämlich! Genau deswegen hätte ich das Buch ursprünglich NICHT gekauft. Die offensichtliche billige Star-Wars-Trittbrettfahrerei ist mir dabei zunächst gar nicht mal aufgefallen. Mein erster Gedanke war vielmehr: Och nö! Nach den Orks, Elben und Zwergen kommen jetzt die Klone oder was?

Der Band blieb unangetastet in der Buchhandlung liegen. Ich hatte ihn in Gedanken sofort als Schrott abgetan und nicht einmal einen Blick auf den Klappentext werfen wollen. Euer Glück, lieber Heyne-Verlag, dass ich später aus mehreren berufenen Mündern vernommen habe, dass der Roman in Wahrheit gut sei. Also habe ich ihn doch gekauft. TROTZ des Titels.

Angenehm flotter Schreibstil

Der “Krieg des alten Mannes” – wie er eigentlich hätte heißen müssen – ließ sich sehr angenehm und flott lesen. Gut, das klingt jetzt auch dämlich. Aber so etwas wie “Senioren-Krieger” oder “Alte Sternenkrieger” hätte man sich ja einfallen lassen können. Wie auch immer, der Roman war jedenfalls gut zu lesen und hat mir bis zur Hälfte auch sehr gut gefallen.

Achtung! Ich erlaube mir, im weiteren Verlauf, die Handlung des Romans teils recht detailliert wiederzugeben – man betrachte dies als

WARNUNG VOR DEM SPOILER

Worum geht’s?

Wir befinden uns in einer nicht näher benannten fernen Zukunft. Der Weltraum ist von der Menschheit besiedelt, man ist dort bereits auf zahlreiche außerirdische Kulturen getroffen. Auf der Erde selbst bekommt man davon allerdings kaum etwas mit. Die Weltbevölkerung unterteilt sich immer noch in Nationalstaaten, die oft sogar noch Kriege untereinander führen.

Raumfahrt, die Besiedelung anderer Planeten sowie die Verwaltung des daraus entstandenen interstellaren Staatengebildes wird ausschließlich von der Kolonialen Union betrieben, die vollständig losgelöst von der Erde existiert und operiert. Die Erdnationen verfügen über keine Weltraumtechnik (mehr) und es gibt für einen Erdenbürger nur zwei Möglichkeiten, ins All zu gelangen. Entweder man ist Bürger eines übervölkerten Entwicklungslandes – von dort rekrutiert die Koloniale Union neue Kolonisten. Oder man hat als Bürger einer (westlichen) Industrienation sein 75. Lebensjahr erreicht – denn dann darf man in den Militärdienst der Kolonialen Union eintreten.

Großartiges Science-Fiction-Szenario

Das Szenario und die Art und Weise, wie es beschrieben wird, sind klasse! Scalzi hat zudem einen hervorragenden Schreibstil, so dass er den Leser sehr gut in dieses Szenario hineinzieht. Es wirkt stimmig und gleichzeitig rätselhaft – wie es sich für ein gutes SF-Szenario gehört. Die Charaktere fügen sich perfekt in dieses Szenario ein und bewegen sich wie selbstverständlich darin. Dadurch wirken sie nicht wie Fremdkörper aus unserer Zeit. Das machen viele andere Autoren deutlich schlechter.

Hauptfigur ist ein 75-jähriger Amerikaner, der sich dazu entschließt, den Militärdienst anzutreten. Auf der Erde weiß niemand, warum die Koloniale Union ausgerechnet (und ausschließlich) 75-Jährige rekrutiert. Es gehen natürlich Gerüchte um, dass die erheblich fortschrittlichere Technik der Kolonien die Menschen wieder verjüngen kann. Auf der Erde ist dies nicht möglich – und daher ist der Anreiz für viele Menschen, die dieses Alter erreichen, sehr groß.

Der erste Teil des Buches beschreibt also den Weg der Hauptfigur vom Rekrutierungsbüro (wo er unterschreiben muss, künftig auf sein Aufenthaltsrecht auf der Erde zu verzichten und alle medizinischen “Arbeiten” an sich zu genehmigen) über einen Weltraumfahrstuhl bis hin zur Orbitalstation der Kolonialen Union, wo er und die anderen Rekruten-Greise ihre “Behandlung” erhalten.

Und diese Behandlung hat es natürlich in sich.

Unbefriedigender Körpertausch

Die Probanden werden keineswegs verjüngt – sie erhalten vielmehr eine 100%ige Körper-Transplantation. Aus ihrem Genmaterial sind deutlich verbesserte neue Körper gezüchtet worden, in die das Bewusstsein der Rekruten nun transferiert wird. Und an dieser entscheidenden fantastischen Stelle hat mich der Roman zum ersten Mal enttäuscht.

Denn so beeindruckend die Szene beschrieben ist, in der der Held seinen neuen Körper sieht und dann den Bewusstseinstransfer durchmacht – die philosophischen Konsequenzen daraus kommen überhaupt nicht zur Sprache. Die spannenden Themen, ob so etwas überhaupt geht, was denn da überhaupt transferiert wird, ob denn nicht einfach eine Kopie erstellt und das Original ermordet wird – all das kommt überhaupt nicht zur Sprache. Der Vorgang funktioniert einfach so, dass dem Protagonisten keine Zweifel an seiner Identität aufkommen können. Sie sind ihm nicht einmal kurz vor der Prozedur gekommen.

In meinen Augen hat der Autor bis dahin ein wunderbares Szenario aufgebaut – und es im entscheidenden Augenblick verschenkt.

Stanislaw Lem hat in einem seiner Dialoge die existenzielle Problematik dieser Idee hervorragend ausgeführt, indem er folgende Fragen stellte (sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiert):

  • “Wenn du stirbst und ich danach ein vollständiges exaktes (und lebendes) Duplikat von dir herstelle, würdest du mit diesem Wissen ohne Angst sterben?”
  • “Selbstverständlich, ich wäre ja wieder hergestellt – und wenn ich die exakten Erinnerungen bis zum letzten Zeitpunkt hätte, wäre ich ich selbst.”
  • “Wenn ich dieses exakte Duplikat aber herstellte, während du noch lebst – würdest du dich dann von mir töten lassen?”
  • “…”

Und genau diese Problematik umgeht Scalzi. Mich hat das ein wenig enttäuscht.

Nun wird er auf solche Gedankenspielereien vielleicht einfach keinen Wert legen – was ja durchaus legitim ist. Und kurz danach versöhnt er mich als Leser schon wieder mit der hervorragenden Beschreibung des verbesserten Körpers – und seiner konsequenten Anwendung.

Der erste Teil des Buches endet ungefähr hier und man erwartet im zweiten Abschnitt zu erfahren, wie der Held in die (auch ihm) noch völlig unbekannten Strukturen des Kolonialstaates der Menschheit geworfen wird und dort auf unfassbare Wunder, Rätsel und Verschwörungen stößt. Doch leider enttäuscht der Roman hier endgültig.

Angriff der Sternenkrieger

Denn was im zweiten Teil passiert ist kaum mehr als ein schlichter Starship-Troopers-Abklatsch. Ja, es ist immer noch spannend geschrieben. Ja, es sind zahlreiche nette kleine Ideen dabei – vor allem, wenn die verschiedenen Aliens beschrieben werden.

Aber im großen und ganzen hat man es mit einem klischeebeladenen Kriegs-Abenteuer zu tun, in dem der Hauptprotagonist als – selbstverständlich unfreiwilliger – Held aus zahlreichen Kriegshandlungen hervorgeht und eine militärische Blitzkarriere hinlegt.

Das beginnt mit dem Drillsergeant, dem der Autor auch noch die Worte in den Mund legt: “Ihr haltet mich bestimmt für ein Klischee aus einem alten Kriegsfilm.” Aber der Autor durchbricht das Klischee nicht – er lässt ihn sich genau so verhalten.

Und so geht es weiter: Natürlich darf im weiteren Verlauf des Romans der naive Pazifist nicht fehlen, der selbstverständlich blauäugig mit ausgestreckter Hand auf die Außerirdischen zugeht – um dann von diesen erschossen zu werden.

Das Absurde dabei: Scalzi versucht in den Dialogen immer wieder dem Eindruck entgegenzuwirken, dass er hier Kriegsverherrlichung betreibt. Schon ganz zu Anfang lässt er seine Hauptfigur einem irdischen Rassisten energisch widersprechen. Aber diese Worte wirken stets aufgesetzt, da sie zum Verlauf der Handlung nicht passen wollen.

Das Militär, dem der Held angehört, begeht schrecklichste Kriegsverbrechen für ein stets undurchsichtig bleibendes Staatengebilde – aber der Protagonist denkt nicht mal im Ansatz daran zu rebellieren. Nach einem besonders grausamen Einsatz hat er zwar einen Nervenzusammenbruch. Dieser wird aber durch ein relativ lockeres Geplauder mit den Kameraden wieder behoben – und die Kämpfe gehen weiter.

So strebt die Handlung auch nicht einem großen Bruch dieses Vorgehens zu, sondern schlicht auf eine besonders knifflige militärische Operation.

Unklare Botschaft

Der Vergleich mit Heinlein drängt sich wie gesagt auf – und ihn hebt Scalzi dann auch konsequenterweise in seinen Danksagungen hervor. Aber während Heinlein eine auf Militär basierende Gesellschaft konsequent schildert und propagiert – und Verhoeven dies in seiner Verfilmung herrlich satirisch überzeichnet –, bleibt es bei Scalzi vage, was er den Lesern nun überhaupt vermitteln will.

Ist der Krieg der Vater aller Dinge? Ist es die Natur des Menschen zu kämpfen? Ist es eine feindliche, fremdartige Welt da draußen, in der man nur wehrhaft bestehen kann? Sind es undurchsichtige Machtstrukturen, die den Menschen in Kriege zwingen? Vielleicht interessieren ihn diese Fragen auch einfach nicht – aber ein Anti-Kriegs-Roman ist dieser Text mit Sicherheit nicht.

Auch der nachgeschobene Dialogtext, in dem die Hauptfigur teils mit kritischen Fragen konfrontiert wird, ist nicht sonderlich erhellend: eine Wischiwaschi-Rechtfertigung des kriegerischen Ist-Zustands durchsetzt mit halbherzigen Friedenswünschen.

Und so ließ mich der Roman nicht sonderlich begeistert zurück. Ja, ich habe mich streckenweise kurzweilig unterhalten gefühlt. Aber die fragwürdige – oder schlicht nicht vorhandene – Moral von der Geschicht, nein, die überzeugt mich nicht.

Lesetagebuch: Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Das wird jetzt schwer. Ich muss (beziehungsweise möchte – ich muss hier gar nix) über einen Scheibenwelt-Roman schreiben – und kann ihn nicht in den Himmel loben. Das neueste Werk aus Terry Pratchetts Feder “Der Club der unsichtbaren Gelehrten” finde ich nämlich nur so mittel.

Fußball auf der Scheibenwelt

Man verstehe mich nicht falsch! Es ist immer noch ein Scheibenwelt-Roman, er ist immer noch gut aber … hach ich weiß auch nicht. Vielleicht erst mal kurz zum Inhalt: Der Fußball ist in Ankh-Morpork angekommen. Naja, eigentlich war er natürlich schon immer da, aber er gerät nun in den Fokus der Mächtigen und Wichtigen in der größten Stadt der Scheibenwelt.

War Fußball bisher nur ein Vergnügen für das einfache Volk, interessieren sich nun auf einmal die Zauberer der Unsichtbaren Universität dafür. Aus gewissen Gründen sehen sie sich gezwungen, selbst eine Mannschaft aufzustellen.

Da trifft es sich gut, dass der Patrizier der Stadt – bislang ein ausgesprochener Gegner dieses Sports – plant, auch dieses “Monster” zu zähmen. War Fußball in Ankh-Morpork bis dato eine nahezu regellose Rauferei, die in letzter Zeit fast zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf den Straßen geführt hat, soll es nun mit einem strengen Regelwerk und einer Liga zivilisiert werden.

Soweit der Hauptplot, der selbstredend die Entwicklung des englischen Fußballs in der realen Welt wiedergibt und persifliert.

Nun bin ich schon mal nicht sooo der Fußballfan – streng genommen überhaupt nicht. Dennoch sehe ich darin nicht den Grund, weswegen mich das Buch nicht so begeistert. Denn auch wenn mich das Thema grundsätzlich weniger reizt, habe ich an einer Pratchett‘schen Umsetzung natürlich großes Interesse.

Fußball ist nicht alles

Erwähnenswert sind noch zwei Nebenplots. Zum einen gibt es da die kleine Aschenputtel-Story über ein schönes Mädchen aus dem einfachen Volk, das zum Model für Zwergenmode wird. Diese Nebenhandlung ist tatsächlich etwas schlicht. Aber ein schwacher Nebenplot allein reicht auch nicht aus, um ein Buch nicht gut – oder nicht großartig zu finden.

Zum anderen ist da Nutt … An dieser Stelle ist wohl Zeit für eine kleine

WARNUNG VOR DEM SPOILER

Wer den Roman also noch nicht gelesen hat und sich eine bestimmte Überraschung nicht verderben will, möge den folgenden Absatz überspringen.

Das Mordor der Scheibenwelt

Vetinari hat in Absprache mit den Zauberern ein Wesen namens Nutt in die Unsichtbare Universität eingeschleust. Es verrichtet dort äußerst niedere Arbeiten, stellt sich jedoch schnell als sehr gebildet und begabt heraus. Es wird die ganze Zeit als Goblin bezeichnet, bis sich gegen Ende herausstellt, dass Nutt etwas ganz anderes ist. Gut, ich verrate es mal nicht – die Spoilerwarnung bleibt dennoch bestehen.

Dieser Plot ist mit am interessantesten, werden doch scheibenwelt-historische Angaben über ein “Finsteres Reich” in Fern-Überwald angedeutet. Die Scheibenwelt hatte also auch ihr Mordor.

Es zündet nicht

Dennoch will auch dieser Handlungsstrang nicht so recht zünden. Das Gefühl zog sich beim Lesen durch das gesamte Buch: Es zündet nicht.

Bei allen anderen Scheibenwelt-Romanen bin ich immer regelrecht in die Welt eingetaucht. Nachdem ich ein Buch ausgelesen hatte, konnte ich mich fast wie nach dem Erwachen aus einem Traum bald kaum mehr an Einzelheiten der Handlung erinnern. Es blieb stets das wohlige Gefühl zurück, an einem interessanten fiktiven Ort gewesen zu sein. Klingt pathetisch – ist aber so.

Und dieses Gefühl blieb diesmal irgendwie aus. Es waren einige nette Ideen dabei. Aber vieles wirkte zu bemüht. Einige Charaktere – allen voran Vetinari – wollte ich nicht mehr so recht wiedererkennen.

Naja … jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Ich freu mich auf jeden Fall auf den nächsten Roman – wieder mit Tiffany Weh.

Lesetagebuch: Unternehmen Stardust

Ich habe bereits ausgiebig darauf hingewiesen: Die Romanheftserie Perry Rhodan wird in diesem Jahr 50. Aus diesem Anlass habe ich mir – unter anderem – erneut den allerersten Band geschnappt, mit dem 1961 alles begann.

Ich schätze es war das fünfte Mal, dass ich Unternehmen Stardust gelesen habe. Ich würde jetzt gern sagen, dass der Roman nichts von seiner Faszination eingebüßt habe … stimmt aber leider nicht ganz.

Alte Liebe rostet … nie so ganz

Als ich ihn das erste Mal las, war ich zehn Jahre alt. Es begann eine Jahrzehnte währende Karriere als mehr oder weniger kritikloser Fanboy. Heute, mit der abgeklärteren Distanz des Ex-Lesers, springen einem der eigenwillige Stil und die hölzernen Charaktere natürlich wesentlich deutlicher ins Auge.

Aber Stopp! Das wird hier jetzt auch kein Verriss. Ich finde den Roman keineswegs schlecht.

Stilblüten wie „Lesly Pounder, quadratisch von Gestalt und Charakter …“ lassen einen durchaus Schmunzeln – geben sie doch auch Zeugnis von den Umständen, unter denen Perry Rhodan entstanden ist. Es ist nun mal als „Schundheftchen“ gestartet – dieser Kategorie aber sehr schnell entwachsen.

Und vergessen wir nicht: die heute geradezu anspruchsvollen Superhelden-Graphic-Novels haben ihren Ursprung auch in übelster Kolportage. Man schaue sich nur ein beliebiges Marvel– oder DC-Comicheftchen aus den 60er Jahren an – ohne nostalgische Verklärung kann man das meiste davon heute auch kaum ertragen.

Kind seiner Zeit

Das andere ist das zeitliche Umfeld, in dem Perry Rhodan entstand. Ich habe die ersten Romane in den 80er Jahren gelesen. Zu dieser Zeit herrschte der Kalte Krieg – und die atomare Selbstvernichtung der Menschheit war als reale Möglichkeit im kollektiven Bewusstsein präsent. Kann durchaus sein, dass Unternehmen Stardust für heutige Leser, denen dieser historische Zusammenhang fehlt, nicht mehr die große Faszination ausüben kann.

Für die zwei, drei Leutchen, die die Handlung nicht kennen, sei sie schnell zusammengefasst: Wir schreiben das Jahr 1971. Amerikas erste bemannte Mission zum Mond startet unter dem Kommando von Major Perry Rhodan. Im Gegensatz zur Realität ist dies aber keine zivile NASA-Mission, sondern eine militärische Mission der US Space Force. Der Kalte Krieg ist noch schlimmer geworden. Gegenspieler der NATO ist aber längst nicht mehr der Warschauer Pakt – der spielt nur noch eine Nebenrolle – sondern die Asiatische Föderation unter der Führung Chinas.

In diesem globalen Spannungsfeld vermutet man erst das Schlimmste, als die amerikanische Mondrakete kurz vor der Landung anscheinend angegriffen und zur Notlandung gezwungen wird.

Doch dort auf dem Erdtrabanten wartet jemand, mit dem niemand gerechnet hat. Rhodan trifft auf Außerirdische, die dort notgelandet sind – und schmiedet einen Plan, der nichts Geringeres als die Einigung der Menschheit zum Ziel hat.

Wie ich finde immer noch eine gute Geschichte. Dennoch hat es mich nicht wieder gepackt. Band zwei und folgende werde ich mir nicht mehr zu Gemüte führen.

Und so schließe ich mit dem letzten Satz von Unternehmen Stardust:

„Major Perry Rhodan hatte seinen Abschied genommen.“

Lesetagebuch: Blame!

Schönes Geschenk im Schuber

Allerdings sind meine Vorbehalte gegen dieses Sub-Medium/-Genre (wasauchimmer) schon länger nicht mehr allzu groß. Daher war ich ehrlich interessiert und positiv überrascht, als mir meine Gemahlin zum Geburtstag einen großen Schuber voller Taschenbücher schenkte, die unter dem Titel Blame! ein zehnbändiges abgeschlossenes Manga-SF-Epos darstellen. Und um die Expertinnen und Experten gleich zu beruhigen: Ja, das Prequel Noise war ebenfalls dabei.

Adventure-Seeker Killy in the Cyber-Dungeon-Quest

Ich weiß, das Attribut ist mehr als abgedroschen – aber die Geschichte, die sich in diesem Werk entfaltet, ist im besten Sinne kafkaesk. Der Held namens Killy befindet sich auf einer Suche, die ihn durch eine (räumlich wie zeitlich) gewaltige labyrinthartige Welt führt, die von kaum erfassbaren Wesenheiten regiert wird und unverständlichen Regeln folgt. Ohne zuviel vorweg nehmen zu wollen: Killys Suche hat natürlich ein offenes Ende – wenn man nicht gar ihr Scheitern annehmen muss. Tatsächlich aber lässt das Ende – wie die gesamte Geschichte – den Leser reichlich ratlos zurück. Sie in einfachen Worten wiederzugeben ist daher nicht leicht.

Vielleicht die Zukunft – vielleicht die Erde

In meinen Augen ist Blame! ein hervorragendes Stück Science-Fiction. Auch wenn so gut wie nichts erklärt wird. Tatsächlich kommen einige der zehn (oder elf, wenn man das Prequel hinzuzählt) Taschenbücher fast völlig ohne Text aus. Die Wunder der fernen Zukunft sprechen in den grandiosen Bildern für sich selbst und wirken doch schlüssig und gut durchdacht.

Dennoch möchte ich mal versuchen, das Szenario zu beschreiben. Andeutungen im Prequel lassen vermuten, dass wir uns mehrere Tausend Jahre in der Zukunft befinden. Ein Panel in Noise legt zudem die Vermutung nahe, dass die gewaltige künstliche Struktur, in der Killys Suche stattfindet, von der Erde aus „gewachsen“ und in ihrer Ausdehnung längst die Mondbahn überholt hat.

Mensch-Maschinen

Das intelligente Leben (von „Menschheit“ mag man kaum mehr sprechen) hat sich in mehrere Richtungen entwickelt.

Da ist zunächst die Netzwerksphäre, eine gänzlich virtuelle Welt, in die sich etliche Menschen und KIs (wobei die Unterscheidung zwischen beidem oft schwerfällt) zurückgezogen haben. Der Kontakt zwischen virtueller und realer Welt ist mittlerweile jedoch durch eine Epidemie abgebrochen. Technische Interfaces, mit denen ein Kontakt zur Netzwerksphäre möglich wäre, gibt es kaum noch. Der einzige Weg, dorthin vorzudringen ist der Besitz so genannter Netzwerkgene, die bei fast allen Menschen durch ein Virus zerstört wurden. Die wenigen „intakten“ Menschen, die es noch geben könnte – bzw. ihr Genmaterial –, sind übrigens auch das Ziel von Killys Suche. Im Gegenzug können die virtuellen Wesen aus der Netzwerksphäre nur noch eingeschränkt auf die reale Welt zugreifen und dort agieren.

Dann gibt es das „Siliziumleben“ – Cyborg-Zombies, die Killys erklärte Feinde sind. Sie wirken, als wären sie der düstersten Warhammer-40k-Vision entsprungen. Auch wenn sie meist als Widersacher auftreten, handelt es sich bei ihnen durchaus um eine differenziert dargestellte Fraktion, die beispielsweise auch über friedliche Forscher verfügt. Sie sind der diesseitigen Welt sehr verhaftet, haben aber ebenfalls großes Interesse daran, Zugang zur Netzwerksphäre zu erhalten. Für letztere stellt das Siliziumleben jedoch eine Bedrohung dar. Der Zugang muss um jeden Preis verwehrt bleiben.

Und schließlich existieren noch zahlreiche mehr oder minder „normale“ Menschen, die teils stark mutiert, teils symbiotisch mit Maschinen verbunden sind, dass sie ebenfalls als Cyborgs gelten können. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, stellen sie anscheinend die Verlierer und Opfer der Entwicklung dar – auch wenn sich alle Menschengruppen irgendwie doch gut an ihre jeweilige Umgebung angepasst haben, sei sie auch noch so bizarr.

Etliche „reine“ KIs und (teils halb-biologische) Maschinenwesen runden das Panoptikum ab. Im Übrigen wird letztlich nie hundertprozentig klar, welcher dieser Gruppierung nun eigentlich Killy selbst angehört.

Faszinierend trostlos – erschreckend großartig

Diese Konstellationen ergeben ein schrecklich trostloses und dennoch faszinierendes dystopisches Endzeit-Szenario. Mich zumindest hat der große Interpretationsspielraum, den dieses Epos dem Leser lässt, schwer begeistert. Hinzu kommen hervorragende Zeichnungen, die die gigantomanen Strukturen und das absolut Fremdartige erschreckend gut wiedergeben. Es soll wohl eine Fortsetzung der Reihe geben. Da werd ich alsbald mal nach forschen.

Lesetagebuch: 1W6 Freunde

Wir hatten in unserer letzten Ausgespielt-Episode bereits ein paar Worte darüber verloren: Letztes Jahr erschien im Prometheus-Verlag eine überarbeitete Version des DORP-Rollenspiels 1W6 Freunde. Jetzt hab ich es endlich auch gelesen.

Lies ein Rollenspiel in der Öffentlichkeit

Wie es der Zufall so wollte, fiel in diese Zeit auch die „Lies-ein-Rollenspielbuch-in-der-Öffentlichkeit-Woche“. Daher versuchte ich das Buch besonders auffällig in der U-Bahn zu lesen. Ob’s was gebracht hat, kann ich aber nicht bestätigen.

Wie auch immer. Ich habe das Büchlein jedenfalls mit großem Genuss gelesen. Es stellt den Versuch dar, die Jugenddetektiv-Geschichten a la Drei Fragezeichen, TKKG und so weiter in einem Rollenspiel umzusetzen. Und soweit ich das beurteilen kann (sooo der Hörspiel-Fan war ich damals nicht – obgleich das genau meine Zeit war) ist dieser Versuch gelungen.

Ein Hauch zu viel TKKG

Ich hab mich beim Lesen sehr gut unterhalten gefühlt. Das leicht spießige 80er-Jahre-Feeling dieser Jugenddetektiv-Geschichten wird hervorragend rübergebracht.

Die vielleicht etwas zu starke Orientierung an TKKG mag den ein oder anderen stören – auch hätte der Lektor ruhig noch ein weiteres Mal über den Text gehen können. Darüber hinaus aber ein sehr schönes und kurzweiliges Büchlein mit ansprechendem Layout.

Schlankes Regelwerk

Was mich allerdings besonders angesprochen hat, war das extrem schlanke Regelwerk. Jeder Charakter hat nur vier Werte (sinngemäß: Körper, Geist, Gesellschaft und Mut) und eine Spezialität, in der er zusätzlich besondere Leistungen vollbringen kann (nennt sich hier „Fleißkärtchen“). Und natürlich kommt ein modernes System  nicht ohne Fatepunkte – oder eine Abart davon – aus. Hier erhält die Gruppe als Ganzes einen Punktepool, der auf unterschiedliche Weise benutzt und wieder aufgefüllt werden kann – letztlich so, wie man es von Fatepunkten kennt.

Schließlich wird nur mit einem W6 gewürfelt (der Titel ließ es ahnen). Zusammen mit dem jeweiligen Wert geht’s gegen eine Schwierigkeit – ganz einfach und unkompliziert.

Kämpfe sind damit nur oberflächlich zu simulieren, was jedoch zum Szenario passt.

Aber völlig unabhängig davon finde ich solche extrem schlanken Regelwerke sehr reizvoll. Allein deswegen würde ich bei einer Runde 1W6 Freunde gern mitmachen – falls ich dazu Zeit hätte.

Lesetagebuch: Kinderbücher

Disney-Plüschtiere

Als relativ junger Vater kommt man ja um Winnie Pu (oder Puh, oder Pooh) in allen Varianten kaum herum. Klamotten, Spielzeug – auf vielem prangen der Bär und/oder seine Freunde in ihrer allseits bekannten Disney-Version. Nun muss ich gestehen, dass ich den ollen Disney-Film sowie die zahlreichen TV-Ableger kaum kenne – und schon gar nicht die Buchvorlage. Zumindest letzterem wird nun Abhilfe geschaffen.

Pu der Bär Gesamtausgabe

Pu der Bär sowie Pu baut ein Haus (ich lese die Pu der Bär Gesamtausgabe in der großartigen Übersetzung von Harry Rowohlt) sind auf die klassische Art und Weise entstanden, wie Kinderbücher gemeinhin entstehen: Ein Schriftsteller denkt sich Geschichten für sein Kind aus – und schreibt sie schließlich nieder. Somit ist A. A. Milnes Sohn Christopher Robin auch die Hauptfigur des Buches (neben Pu natürlich).

Das Buch habe ich jetzt fast durch und stelle fest, dass es seinen Kultstatus – wie zu erwarten – durchaus zu Recht hat. Was mir besonders auffiel: Die Geschichten aus den 20er Jahren sind angenehm zeitlos. Das mag daran liegen, dass der Autor nicht den geringsten erzieherischen Anspruch zu haben scheint. Daher wirkt der Text weder autoritär noch anti-autoritär. Er ist nicht mal moralisierend – zumindest nicht mit erhobenem Zeigefinger. Es sind einfach absurde lustige Geschichten, wie ein Kind sie sich auch selbst ausdenken würde. Doch, ich bin begeistert.

Späte autorisierte Fortsetzung

Sobald ich das durch habe, folgt die Rückkehr in den Hundertsechzig-Morgen-Wald von David Benedictus. Hier schließt sich ein wenig der Kreis zu meiner vorangegangenen Lektüre. Ähnlich wie bei der Anhalter-Reihe, legte auch bei Pu der Bär unlängst ein anderer Autor eine späte Fortsetzung nach. Angeblich sei sie in ähnlichem Stil verfasst (was mir bei Colfers sechstem Anhalter-Roman zunächst eher negativ aufstieß) und setze die Geschichten würdig fort. Zumindest die Zeichnungen von Mark Burgess sind schon mal sehr schön im Stil der Originalbilder von E. H. Shepard gehalten. Und die Übersetzung stammt erneut von Harry Rowohlt – kann also eigentlich nichts schief gehen.

Warrior Cats

Danach gedenke ich mit einer Kinderbuchreihe weiterzumachen, die ich – ich gebe es zu – eher aus eigenem Interesse lese. Aber offiziell teste ich natürlich, ob das später was für meine Tochter ist. Teil 3 der Warrior Cats steht an. Macht euch ruhig lustig – aber ich mag Katzen und Katzengeschichten. Und diese hier sind gar nicht mal so schlecht.

Grob geht es darum, dass in einem relativ begrenzten Gebiet vier Katzenclans (es handelt sich um verwilderte Hauskatzen) um die Vorherrschaft kämpfen. Held ist ein Hauskätzchen, das aus seinem sicheren Garten entflieht und dem Ruf der Wildnis folgt. Dabei trifft es auf einen der Clans und schließt sich ihm an. Natürlich macht es dort schnell Karriere. So weit, so vorhersehbar.

Ich alter Rollenspieler hab natürlich gleich wieder eine Umsetzung in Abenteuer im Kopf. Zumindest können die Geschichten hervorragend als Inspiration für Katzulhu dienen.

Mittlerweile sind auf deutsch schon sechs Bände erschienen – und anscheinend gibt’s im englischen Original auch schon eine Manga-Variante.

Lesetagebuch: Eoin Colfer

Bis dato hatte ich von diesem Autor nur oberflächlich gehört. All überall liest man mit ziemlicher Begeisterung Artemis Fowl – wovon ich mich bislang nicht habe anstecken lassen. Nun habe ich zu den einschlägigen Jahresend-Festivitäten überraschend zwei Druckerzeugnisse aus seiner Feder geschenkt bekommen und bin durchaus angetan.

Comic: Artemis Fowl

Zunächst die Comic-Adaption des ersten Artemis-Fowl-Romans – und ich muss sagen: ich war angenehm überrascht. Die Welt, die einem hier ausgebreitet wird, wirkt auf den ersten Blick vielleicht nicht gerade neu – es ist letztlich mal wieder ein Jetztzeit-Szenario mit Elfen und Kobolden – aber die Umsetzung ist relativ einzigartig weil durchdacht, detail- und ideenreich. Hinzu kommen interessante, nicht ganz so schablonenhafte Charaktere und eine ziemlich spannende Handlung. Doch, ich war angenehm überrascht. Ob ich mir jetzt gleich die Romane zulege – keine Ahnung. Die Comicreihe werde ich – trotz des leicht mangaesken Stils – aber weiterlesen.

Per Anhalter durch die Galaxis – der sechte Teil der Trilogie

Als zweites wurde ich mit Und übrigens noch was überrascht, seiner Fortsetzung der ursprünglich von Douglas Adams stammenden Anhalter-Romane. Am „sechsten Teil der Trilogie“ lese ich gerade und möchte mich daher noch nicht zu einem abschließenden Urteil hinreißen lassen.

Bislang scheint mir Colfer aber ein bisschen zu sehr bemüht, Stil und Humor von Douglas Adams zu imitieren. Das könnte auf Dauer etwas anstrengend werden – weil er daran mit Sicherheit scheitern muss. Ich weiß wovon ich rede – ich habe das in zwei Fanzine-Kurzgeschichten auch mal probiert.

Aber bislang ist der Roman immerhin amüsant und ich habe hier und da auch mal schmunzeln müssen. Ob dieses Buch allerdings wirklich notwendig ist … Nun, vielleicht werde ich mich dazu äußern, wenn ich es ausgelesen habe. Immerhin habe ich kürzlich beim Lesen in der U-Bahn meine Station verpasst – zumindest ein Indiz, dass es mich doch zu fesseln vermag.

Lesetagebuch: Ilium von Dan Simmons

Der SF-Roman Ilium ist im Jahr 2004 erstmals auf deutsch erschienen. Wenig später legte Dan Simmons den zweiten Band Olympos nach. Hier geht’s jedoch nur um Band eins, den ich kürzlich ausgelesen habe.

Startschwierigkeiten

Das Buch stand nun schon mindestens zwei Jahre – wenn nicht länger – ungelesen in meinem Regal. Obwohl ich auf den Autor sehr große Stücke halte und mir das Buch von vertrauenswürdiger Seite wärmstens ans Herz gelegt wurde, konnte ich mich lange Zeit nicht überwinden, nach dem Werk zu greifen. Als ich mich Ende letzten Jahres endlich dazu durchrang, kam ich wiederum nicht so recht mit dem Lesen in die Gänge. Im Nachhinein kann ich mir dieses Zögern gar nicht erklären. Denn nachdem ich wochenlang immer nur ein paar Zeilen gelesen und das Buch dann für andere Druckerzeugnisse wieder beiseite gelegt hatte, packte es mich schließlich doch. In einem Rutsch las ich den 800-Seiter durch. Und das – soviel sei schon mal vorweggenommen – mit großem Genuss.

Der Autor – bekannt und beliebt vom Hyperion-Zyklus

Ich kannte Dan Simmons bislang nur als Autor seiner vier Hyperion-Romane. Vor allem die ersten beiden davon sind großartig und jedem SF-Fan dringendst zu empfehlen. Simmons‘ Einfälle darin sind klasse und das dargestellte Zukunftsszenario ist so schlüssig und detailliert, dass danach eigentlich kein SF-Roman mehr geschrieben werden muss. Entsprechend waren die beiden Endymion-Bände auch nicht mehr zwingend notwendig. Auch hier sind viele sehr schöne Einfälle zu finden und es wird auch einiges erklärt, was nach den ersten beiden Romanen noch offen war – aber vermisst hat man diese Erklärungen eigentlich nicht.

Als eingefleischter Atheist muss ich noch hinzufügen: Dass die gesamte Story eine sehr religiös anmutende Thematik behandelt, stört dabei überhaupt nicht, da alles auf ein einfallsreiches (pseudo-)wissenschaftliches Fundament gestellt wird.

Ilium – die Handlung

Der Titel ist Programm. Ilium – sprich: Troja – ist Handlungsort der zentralen Handlungsebene des Romans. Leserin und Leser werden mitten in die legendäre Schlacht geworfen, wie sie bei Homer beschrieben wird – und mit ihnen ein amerikanischer Professor namens Hockenberry aus dem frühen 21. Jahrhundert, der im Auftrag der Götter die Schlacht beobachtet, um zu dokumentieren, inwieweit sich die Ereignisse an den Verlauf der Ilias halten.

Was genau dahinter steckt, weiß auch der Protagonist Hockenberry nur oberflächlich. Nun, die Götter zumindest scheinen nicht unbedingt das zu sein, was sie vorgeben. Alles was sie tun basiert recht offensichtlich auf einer weit entwickelten Hochtechnologie. Somit haben Hockenberry und seine Leidensgenossen (er ist nicht der einzige Beobachter) den begründeten Verdacht, sich vielmehr in einer weit entfernten Zukunft zu befinden, in der sie aus Genom-Resten und irgendwie rekonstruierten Erinnerungen von den Toten wiedererweckt wurden, um den Göttern (die wohl eher hochentwickelte Nachkommen der Menschen sind) zu dienen. Viel mehr wissen sie nicht – und es sagt ihnen auch niemand mehr.

Jedenfalls folgt die Handlung (zunächst) ziemlich genau jener der Ilias – bis sich Hockenberry genötigt sieht, ein wenig Schicksal zu spielen. Hinzu kommen zwei weitere Handlungsebenen, die ganz offensichtlich in einer mindestens 2.000 Jahre entfernten Zukunft spielen.

Zunächst die Erde, auf der die Ereignisse um die letzten “Altmenschen” geschildert werden, die in klassischer Eloi-Manier ein sorgenfreies aber langweiliges und dumpfes Leben führen – bis einer auf die Idee kommt, lesen zu lernen – und sich auf die Suche nach einem Raumschiff zu begeben.

Und schließlich die Moravecs – intelligente Kunstwesen, die einst von den Menschen ins Sonnensystem entlassen wurden und nun eine eigenständige Kultur (unter anderem) auf den Jupitermonden bilden. Diese entsenden eine Expedition zum überraschend terraformten Mars, um nachzuschauen, was die “Nachmenschen” dort für einen gefährlichen Unsinn mit Quantensingularitäten treiben. Nebenbei präsentieren sich die beiden Hauptfiguren der Moravecs als große Literaturfans – einer schwärmt für Shakespeare, der andere für Proust. Die zahlreichen Ilias-Anspielungen und Zitate werden hier durch solche auf die beiden genannten Dichter ergänzt.

Zwei der drei Handlungsebenen finden gegen Ende zusammen – und allesamt münden sie in Ereignisse, die nicht weniger als das weitere Schicksal aller Intelligenzwesen im Sonnensystem besiegeln werden.

Kommentar – geniale Grundidee, solide Ausführung

Die Darstellung der Ilias ist großartig und das eigentliche Kernstück dieses Romans. Hervorragend auch die Umdeutung der Götter und ihrer Kräfte in futuristische Hightech. Allein das macht das Buch unbedingt lesens- und empfehlenswert.

Soweit ich das beurteilen kann, hält sich Simmons zunächst sogar sehr eng an die Ilias, was mir besondere Freude bereitet hat. Als Beispiel für ein Eingreifen der Götter möchte ich nur kurz die Stärkung des Diomedes durch Athene anführen, der daraufhin Aeneas und sogar die Göttin Aphrodite verwundet. Diese Szene wird in bester SF-Manier mit dem Einsatz von Zeitmanipulation (Athene hält kurz die Zeit an), Nanomaschinchen, deren Injektion Diomedes zu einem fast gottgleichen Kämpfer aufmotzen und Schutzschilden, die Götter und Helden schützen, beschrieben. Großartig!

So lange sie sich dermaßen dicht an die Ilias hält – was sie lange tut –, ist diese Handlungsebene grandios und macht unheimlich viel Spaß. Sobald der Punkt erreicht ist, an dem Simmons die Handlung bewusst durch Hockenberrys Wirken abweichen lässt, verliert sich dieser Reiz ein wenig – wobei diese Abweichung durchaus auch ihre Momente und großartigen Szenen hat.

Nebenbei bemerkt ist mir aufgefallen, dass ich beim Lesen doch oft den Troja-Film von Wolfgang Petersen vor Augen hatte. So wenig der mir alles in allem gefallen hat, hat seine Optik doch bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Aber ich schweife ab.

Die Moravec-Handlung ist streckenweise großartige, technisch kompetente SF. Die literarischen Anspielungen sind nett und machen Laune, mal wieder in den ollen Shakespeare reinzulesen.

Die Handlung auf der Erde schließlich wirkt etwas losgelöst und scheint vor allem den Zweck zu haben zu erläutern, wie sich das geschilderte Zukunftsszenario in der Form hat entwickeln können. Auch hier sind viele schöne fantastische Ideen verwirklicht (das trockengelegte Mittelmeer a la Antlantropa, um nur eine zu nennen). Und auch wenn ich sie durchaus spannend fand, war sie für mich doch die schwächste der drei Handlungsebenen.

Im gesamten Buch bedient sich Simmons übrigens eines Tricks, um dem Leser die meisten Hintergrundinformationen (künstlich) vorzuenthalten. Alle Protagonisten haben aus unterschiedlichen Gründen von nichts eine Ahnung. In der Form fand ich das noch ok – auch wenn es manchmal ein bisschen sehr konstruiert war. Für meinen Geschmack blieb das aber immer noch gerade an der Grenze.

Das Zukunftsszenario, das sich so vor dem Leser schließlich entfaltet, ist sehr interessant. Es kommt an das von Hyperion nicht heran – bleibt aber reizvoll. Auch, weil es sich um eine deutlich weiter entfernte Zukunft handelt, die naturgemäß viel fremdartiger und absurder erscheinen muss – was Simmons auch oft gelingt.

Ein wiederkehrendes Motiv aus Hyperion ist die Vorstellung eines Kollektivbewusstseins, das sich aus der Menschheit und/oder ihrer Kultur entwickelt – Core, Maschinen- und Teilhardscher Menschengott lassen grüßen. Bei Ilium ist dann von der Logosphäre und der beseelten Biosphäre die Rede – die Grundidee ist dieselbe, die Umsetzung etwas schwächer.

Fazit – Leseempfehlung

Bei aller angedeuteter Kritik ist das Buch unbedingt empfehlenswert. Ich halte Dan Simmons für einen der besten aktuellen SF-Autoren, was er mit diesem Buch erneut unter Beweis stellt. Seine technischen und sonstigen Visionen sind grandios und gut durchdacht. Er schreibt spannend und fesselnd. Seine Begeisterung für Literatur ist unaufdringlich in die Geschichte eingeflochten. Hier hat Simmons fast noch besser recherchiert als bei seinen technischen Visionen.

Entsprechend grandios – ich kann es nur wiederholen – seine Umsetzung der Ilias. Jeder Freund klassischer Mythen, der sich ein wenig für SF begeistert, muss dieses Buch unbedingt gelesen haben.

Man muss meines Erachtens auch nicht davor zurückschrecken, hier gleich wieder in einen Mehrteiler einzusteigen. Trotz aller offenen Enden, die Ilium hinterlässt, kann der Roman durchaus für sich allein stehen bleiben. Sicher werde ich Olympos irgendwann einmal lesen – aber das kann durchaus noch eine ganze Weile warten.

EDIT: Sechs Jahre später habe ich schließlich den zweiten Band Olympos gelesen und rezensiert.

Rezi: Traumlande

Endlich in den Traumlanden spielen

Gerade die entsprechenden Geschichten von Lovecraft – “Die Katzen von Ulthar”, “Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath” und wie sie alle heißen – haben es mir immer besonders angetan. Eine Umsetzung derselben für das Rollenspiel Cthulhu habe ich also sehnlichst erwartet. Nun weiß ich wohl, dass die Traumgeschichten von Lovecraft ein wenig aus seinem übrigen Werk herausstechen und von vielen Leserinnen und Lesern nicht so hoch bewertet werden. Ich mag sie dennoch.

Als wir damals anfingen Cthulhu zu spielen, war eine meiner ersten Fragen, ob man da denn auch die Traumlande besuchen könne. Es gab zwar auch damals schon einen Traumlandeband – aber in den “normalen” Cthulhu-Abenteuern spielte das Träumen eher keine Rolle. Obwohl wir im Zuge der Orientexpress-Kampagne durchaus mal einen kleinen Abstecher in Traumgefilde gemacht haben.

Wie auch immer. Die Ankündigung eines neuen Traumlandebuchs hatte ich mit großer Freude zur Kenntnis genommen. Vor allem, da als Bonus das langersehnte Katzulhu-Regelwerk als Beilage versprochen wurde.

Limitierte Auflage

Es schien dann zunächst etwas schwierig an diesen Band heranzukommen. Ob es wirklich notwendig war, ihn so streng zu limitieren, ist sicher diskussionswürdig. Zumindest bei Amazon war eine Folge davon, dass die geringe Auflage offensichtlich schnell von Händlern aufgekauft wurde, die den Band dann unverfroren für den doppelten Preis wieder einstellten. Naja, Kapitalismus halt.

Ich hatte jedenfalls Glück. Der Offline-Händler meines Vertrauens hatte den Band vorrätig. So erstand ich ihn zum vorgesehenen Preis – und bin nun sehr glücklich damit.

Silberschnitt und Beilagen

Allein das Äußere: Der versilberte Schnitt ist schon ziemlich edel. Die Katzulhu-Beilage ist zwar nur ein kleines DIN-A5-Heftchen, das wie ein Fanzine daherkommt. Aber wenigstens hat man jetzt endlich die Katzen-Zusatzregeln aus den vergriffenen Cthulhoide-Welten-Ausgaben vorliegen. Damit kann man dann prima meinen Katzulhu-Kurzschocker spielen.

Eine schöne Karte der Traumlande ist ebenfalls beigelegt. Bislang kannte ich nur die Winzkarte aus meiner alten Taschenbuchausgabe der “Katzen von Ulthar” – diese hier ist etwas umfangreicher.

Des Bandes erster Teil

Zum Inhalt: Das Buch gibt einen sehr guten Überblick über die Traumlande und die Möglichkeiten darin zu spielen. Nach einer Einführung wird dieser Überblick durch eine Nacherzählung der Lovecraft-Geschichte “Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath” vermittelt. Da der Held Randolph Carter in dieser Geschichte fast die gesamten Traumlande bereist, ist dies ein guter Ansatz. Für denjenigen, der die Geschichte bereits kennt, ist die Nacherzählung dennoch interessant, da hier mehr die Details der bereisten Gegenden als der Ablauf der Handlung wiedergegeben werden. Umgekehrt nimmt sie dadurch auch solchen Lesern, die die Geschichte noch nicht kennen, nicht die Spannung.

Es folgt ein eher tabellarischer Abriss der wichtigsten Orte, Personen und Kreaturen in den Traumlanden. Dann geht es zur Charaktererschaffung. Neben der Möglichkeit, einen Träumer aus der Wachen Welt zu spielen (der dann mit den normalen und nur wenig erweiterten Regeln erstellt werden kann), werden hier komplette Sonderregeln für die Erschaffung “Eingeborener” aus den Traumlanden präsentiert. Leider beschränkt sich dies auf Menschen – aber mit ein wenig Phantasie können gewiefte Spieler sicher auch Ghule, Mondbestien und so weiter erstellen – oder eben Katzen mit dem beilegenden Sonderregelwerk.

Doch all das macht nur ein wenig mehr als die Hälfte des Bandes aus. Der Rest beinhaltet insgesamt sieben Abenteuer in den Traumlanden – aber die hab ich noch nicht gelesen.

Buchrezi: “Die Allianz – Im Korridor der Sterne”

Alexander Kaiser, ein guter Freund von mir, hat sich vor einer Weile am Thema book on demand – kurz bod – versucht. Er ist begeisterter SF-Autor und hat bislang nur in eher kleinem Rahmen publiziert. So hat er in der „Perry Rhodan Fan-Edition“ den – mittlerweile leider vergriffenen – Heftroman „Der Normon-Konlikt“ veröffentlicht. Außerdem ist er in den Anthologien des Wurdack Verlags „Deus ex Machina“ und „Golem und Goethe“ mit je einer Kurzgeschichte vertreten.

Als Ace Kaiser stellt er seine übrigen Storys in zahlreichen Foren und Fanfiction-Plattformen zur Diskussion. „Die Allianz – Im Korridor der Sterne“ stellt seinen ersten Versuch dar, das Verleger-Glück selbst in die Hand zu nehmen.

Zum Roman

Der Roman lässt sich sehr gut lesen – leider ist es nicht Kaisers bestes Werk. Das liegt wohl daran, dass der Urtext über zehn Jahre alt ist und nicht ausreichend streng und kritisch nachbearbeitet wurde. Auch hätte das Layout mehr Sorgfalt erfordert – aber dafür ist es sein erster Versuch im bod-Bereich, weswegen dieser Kritikpunkt nicht so sehr ins Gewicht fallen soll.

Die Handlung selbst ist spannend: eine klassische Space-Opera inklusive Liebesgeschichte. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Die Menschheit hat sich in der Galaxis ausgebreitet und in verschiedene Sternenreiche aufgeteilt. Viele davon führen Kriege gegeneinander. Man muss sich außerdem gegen zahlreiche außerirdische Völker behaupten. Die titelgebende Allianz ist ein Staatengebilde, in dem man relativ friedlich mit diversen Aliens zusammenlebt. Doch dieser Sternenstaat ist von vielen Seiten bedroht.

Die Hauptfigur Daniel Parker ist ein junger Weltraumsoldat, der in eine gefährliche interstellare Krise gezogen wird. Damit nicht genug, hat er außerdem die Verantwortung für die Prinzessin der Allianz übertragen bekommen, die sich zu allem Übel auch noch in ihn verliebt hat.

Vor diesem Hintergrund kommt es zu zahlreichen Raumschlachten, die sehr ausführlich und plastisch beschrieben werden. Ein bisschen hapert es bei der Handlungslogik, wenn Daniel seine Schutzbefohlene immer wieder in Kampfeinsätze hineinzieht und sie so unnötig in Gefahr bringt.

Mir persönlich war die Story trotz packender Action stellenweise zu schmalzig und seifenopernhaft. Die Protagonisten wirken alle etwas zu übertrieben begeistert und ehrenhaft – während die Gegner allzu gesichtslos bleiben. Dadurch entsteht ein in meinen Augen starker pro-militärischer Pathos, der – nun – Geschmackssache ist.

Um dennoch zu einem versöhnlichen Schluss zu kommen: Das alles liest sich sehr flott und kurzweilig – und die Raumkämpfe sind spannend beschrieben.

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