Spielbericht: Malmsturm

Wie ich schon ahnte, muss ich meine Anmerkungen im Lesetagebuch Malmsturm ein wenig relativieren. Das FATE-Regelwerk ist in dieser Aufbereitung ziemlich gut zu gebrauchen. Wie bereits angedeutet kam es nämlich kürzlich erst zum Einsatz, als ich nach Jahren mal wieder ein Rollenspiel-Abenteuer meisterte – und das auch noch mit einer gänzlich neuen Gruppe.

FATE war bei meinen neuen Mitstreitern trotz längerer RPG-Erfahrung bis dato noch völlig unbekannt – und doch gelang es allen Beteiligten problemlos, sich in das Regelwerk einzufuchsen und es anzuwenden. Und um dies gleich vorweg zu nehmen: Es hat allen großen Spaß gemacht.

Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung haben wir im Vorfeld per Mail erledigt – und im Rahmen eines sozialen Netzwerks, dessen Name mir gerade entfallen ist.

Wir waren uns von Anfang an einig, es sehr klassisch halten zu wollen. Entsprechend haben wir es mit einer zwangsverheirateten Grafentochter auf der Flucht und einem verstoßenen Halbelfen-Waldläufer zu tun, die es schließlich in ein kleines Königreich namens Ustrien verschlagen hat – genauer in den Ort Carolinsrode.

Die FATE-Übliche Erschaffung in fünf Phasen wurde sofort verstanden. Die Verknüpfung der Charaktere fiel nicht ganz so leicht, da wir zunächst nur zwei Spieler waren. Das Regelwerk sieht hier aber vor, dass Phase fünf erst mal weggelassen wird. Klappte auch.

Die beiden Helden starteten also mit den üblichen 15 Fertigkeiten, fünf Talenten/Gaben, fünf FATE-Punkten – aber eben nur vier Aspekten. Der fünfte Aspekt soll sich dann aus dem ersten Abenteuer ergeben.

Klassischer Einstieg

Ich habe es mir nicht nehmen lassen, das Abenteuer in einer Taverne zu beginnen. Aber so sehr ich mich bemüht habe – es ist mir nicht gelungen, die Spieler in die obligatorische Kneipen-Schlägerei zu verwickeln.

Aber von vorn: Die Helden sind am Vorabend des großen monatlichen Carolinsmarktes eingetroffen. Die Verhältnisse in dem kleinen Königreich am Südrande Wyddlands sind ihnen nur vage bekannt. So staunen sie über die Gruppe Zwerge, die an einem Tisch sitzt (keiner von beiden hatte je einen gesehen), und noch mehr über die Tatsache, dass es in dem ganzen Ort wohl nur Frauen und sehr alte Männer oder sehr kleine Jungs zu geben scheint.

Und tatsächlich wird einer der Helden auch bald von einem alten verbitterten und volltrunkenen Bauern angepöbelt, wieso er als Waffenträger hier friedlich in einer Taverne sitze, während sein Sohn in der Ferne Kriegsdienst für den König leisten müsse. Nach einigem Gepöbel rettet ein anderer Bauer die Situation, schickt seinen Gefährten hinaus und erklärt einige Hintergründe.

Wo sind unsere Jungs?

Denn schon seit mehreren Jahren befindet sich der König Ustriens auf einem Kriegszug in der Ferne. Niemand weiß so recht, worum genau es dabei geht – man sorgt sich ohnehin mehr darum, dass fast alle Waffenträger und Männer im wehrfähigen Alter abwesend sind. Das Königreich hat in dieser Zeit verständlicherweise einen Niedergang erlebt. Räuberbanden treiben vermehrt ihr Unwesen, in Ermangelung kräftiger junger Männer fallen die Ernten und anderen Arbeiten nur noch mäßig aus.

Carolinsrode hat es dabei noch verhältnismäßig gut getroffen. Als Schnittpunkt zweier wichtiger Handelsstraßen und durch die relative Nähe zur großen Zwergenpopulation im angrenzenden Gebirge, ist dieser Ort geradezu ein Hort des Friedens und der Stabilität – fast mehr noch als die Hauptstadt Seeburg im Norden.

Nichtsdestotrotz leidet man auch hier darunter, dass alle paar Monate Königsritter vorbeikommen, um Nachschub für des Königs Fußvolk zu rekrutieren.

Halb fertige Sandbox

Wie im Malmsturm-Regelwerk angeregt, wollte ich mich auch ein wenig an einer Sandbox versuchen. Tatsächlich habe ich ein paar Fährten und lose Fäden gelegt, welche die Spieler hätten aufgreifen können. Ebenso habe ich versucht, ein großes Feld mit ausreichend Personal und Lokalitäten zu bereiten, auf dem man ein bisschen hätte improvisieren können.

Zu meinem Glück haben die Spieler nur wenig davon aufgegriffen – denn streng genommen hatte ich nur einen Handlungsstrang ausgearbeitet. Ich alter Railroader ich.

Small Bang Theory

Richtig schwer hab ich mich in der Vorbereitung mit den Bangs getan. Das Malmsturm-Regelwerk schlägt die Verwendung der gar nicht mal so uncleveren Bang-Idee vor: Man versetze die Spieler ein, zwei mal während des Abenteuers in eine Lage, in der jegliches Handeln – und gar Nicht-Handeln – nennenswerte Konsequenzen für die Charaktere nach sich zieht, schaut, was sie machen und improvisiert dann munter drauflos.

Die Erteilung eines schlichten Auftrags ist demnach kein Bang – denn wenn die Charaktere ablehnen, hat dies kaum Konsequenzen für sie.

Die einfachste Form eines Bangs wäre ein Überfall. Und bis auf einen solchen wollte mir letztlich kein passender einfallen.

Es kommt, wie es kommen muss

Natürlich lasse ich am nächsten Tag auf dem Markt – nachdem meine Spieler ein wenig Shoppen durften – einen Herold des Königs erscheinen, der die baldige Ankunft eines Königsritters ankündigt. Dieser will mal wieder ein paar junge Männer einsammeln – Frischfleisch für das Schlachtfeld. Das ist insoweit wenigstens ein kleiner Bang, als dass sich die Charaktere (oder zumindest der männliche welche) nicht sicher sein können, ob sie als Außenstehende nicht auch Gefahr laufen, eingezogen zu werden. Und so bereiten sie auch gleich die Flucht vor.

Der Auftrag

Um die guten jetzt auch noch dorthin zu bugsieren, wo ich sie hinhaben will, tritt einer der Bauern vom Vorabend mit einer Bitte an sie heran. Sein Sohn sei mittlerweile in einem Alter, dass auch ihm die Einberufung drohe. Den älteren habe er in der Handelsgilde unterbringen können – für den zweiten fehle ihm aber das Geld dafür. Allerdings scheint dieser eine magische Begabung zu haben.

Laut Erlass des Königs ist jeder, der über magische Kräfte verfügt und diese im Roten Turm (oder einer anderen Magieschule) ordentlich ausbilden lässt, von allen weiteren Verpflichtungen seinem Lehnsherrn gegenüber entbunden.

Nun befindet sich der Rote Turm leider im tiefen Wald – und bis zum Eintreffen des Königsritters schafft der Bauer es nicht mehr, eine Eskorte für den Kleinen zusammenzustellen. Es sei denn, die lieben Spielercharaktere springen spontan ein.

Motivationsprobleme

Der Nachteil eines solchen Auftrags gegenüber einem echten Bang zeigte sich sogleich: Während ich den einen Spieler durch einen entsprechenden Aspekt bei seinem Helfersyndrom packen konnte, war es für Charakter Numero zwo nicht ganz ersichtlich, wieso er nun diesem Bäuerlein helfen sollte.

Wir haben es schließlich irgendwie hingebogen – aber ganz wohl war mir dabei nicht. Das hätte ich besser vorbereiten müssen.

Action!

Es folgt ein mehr oder minder prototypischer Eskort-Auftrag. Die Helden müssen den Knaben zunächst zu einem alten Kräuterweiblein geleiten, das allein den Weg zum Roten Turm weisen kann. Auf dem Weg dorthin werden die Gefährten selbstredend mit dem bereits angedeuteten Räuberbanden-Problem konfrontiert – und der Spielleiter musste feststellen, dass er die Gegner viel zu leicht entworfen hatte. Naja, wir wollten ja auch alle erst mal mit dem System warm werden.

Da das Ganze zunächst mal ein One-Shot bleiben sollte, habe ich von Sperenzchen wie der zwischenzeitlichen Entführung des Schutzbefohlenen abgesehen. Praktischerweise zeigt sich seine magische Begabung auch darin, dass er in Fällen von Gefahr unsichtbar wird.

Bei dem Kräuterweiblein ergibt sich noch eine kleine Überraschung: Es stellt sich nämlich heraus, dass sich bei ihr Räuber eingenistet haben, die aber gerade nicht da sind. Die alte Hulda (so ihr Name) sieht nur eine Möglichkeit zu helfen, indem sie die Gefährten schnell durch den gefährlichen Dungeon schickt, der von ihrer Hütte aus in den tiefen Wald zum Roten Turm führt.

Dungeons and Spiders

Der dämonenbesessene Wachhund der Räuber ist schnell überwunden (manchmal schießt so ein Halbelf doch ganz gut) und selbst die schweinsgroßen Riesenspinnen tiefer im Gang sind dem spitzen Dolch der Grafentochter auf Dauer nicht gewachsen (Notiz an mich: Gegner schwerer machen!).

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit des Spielabends hatte ich den “Endgegner” kurzerhand rausgestrichen (die Dame schlief halt in ihrem unterirdischen Tümpel) und die Gefährten gleich über einen großen Troll stolpern lassen.

Dieser stellt sich aber als recht redselig und umgänglich heraus – aber auch nur, weil er den Bauernknaben als würdig für den Roten Turm erkennt. Aufgabe gelöst.

Schicksalspunkte

FATE hat sich in dieser Konstellation und Anwendung als hervorragendes (Wieder-)Einsteiger-System gezeigt. Beiden Spielern war das System vorher nicht bekannt – und doch haben sie sich problemlos in die Grundprinzipien reinfuchsen und gleich loslegen können.

Nun haben wir – und da schließe ich mich ausdrücklich ein – die Möglichkeiten des Systems noch lange nicht ausgeschöpft. Gerade ich als Spielleiter hätte den Aspekten deutlich mehr Beachtung schenken können. Zwei mal immerhin habe ich die Spieler damit zu Handlungen nötigen können, die entweder amüsant oder zielführend für die Handlung waren. Aber damit haben wir beim potentiellen Spielspaß, den Aspekte bieten, ja gerade mal an der Oberfläche gekratzt. Naja, man muss sich ja auch noch steigern können.

Weiter geht’s!

Die Gelegenheit dazu wird sich schon bald ergeben. Denn alsbald steht Sitzung Nummer zwei an.

Was erleben unsere Helden im Roten Turm? Wie finden sie aus dem tiefen Wald wieder hinaus? Können sie die alte Hulda aus den Klauen der Räuber befreien und das Kriminalitätsproblem des Königreichs Ustrien lindern? Wie fügen sich die drei neuen Helden ein, auf die sie im Roten Turm treffen werden? Oder kommt alles etwa ganz anders?

Fortsetzung folgt …

Kategorien: Rollenspiel

3 Kommentare

  1. Sehr empfehlenswert, da viel ausführlicher und … will sagen FATEiger, ist im Übrigen Rons Malmsturm-Spielbericht im Edieh-Blog: http://www.edieh.de/2011/08/07/testlauf-malmsturm/

  2. Danke für den Erfahrungsbericht. Ich werde selbst in 1,5 Wochen das erste Mal Malmsturm leiten und habe nun einen besseren Eindruck wie das ausgehen könnte. Ich bin auch mal ganz mutig und bereite nix vor, da ich den Spielern die Wahl des Settings überlassen will und ich die Chars eh noch nicht kenne. Die erstellen wir dann. Damit spielen wir nicht wirklich Malmsturm sondern eher Fate direkt, aber so groß ist der Unterschied ja nicht. Und ich trainiere meine Impro-Fähigkeiten.

  3. Freut uns zu hören das dich Malmsturm noch überzeugen konnte!

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