Naheliegenderweise bringe ich in der ersten Ausgabe eine exklusive Leseprobe aus meinem "echten" Kinderbuch, das ich unter dem Pseudonym Finn Mühlenkamp beim Literarischen Lloyd veröffentlicht habe. Da man auf der Verlagsseite bereits eine Leseprobe mit den ersten beiden Kapiteln findet, präsentiere ich hier nun die erste Hälfte von Kapitel drei.
Kapitel 3: Fleißige Helferlein
»Na, wie war deine AG heute, Mette?«, fragte die Königin eines Tages nach der Schule. Mama Marie war jedes Mal neugierig, was Mette für neue Ideen mitbrachte. Mette lächelte, griff in ihre Tasche und zog ein metallisches Etwas hervor, das bei genauerem Blick wie eine Raupe aussah.
»Das ist Raupi«, sagte Mette. »Die haben wir letzte Woche angefangen zu bauen. Sie ist aus Metall, hat vorne eine Kamera eingebaut, kann sich selbstständig bewegen und hört auf einfache Befehle. Schau!«
Sie legte die Raupe auf den Boden und sagte: »Okay, Raupi! Zwei Meter voraus, eine Vierteldrehung rechts, einen Meter voraus, eine Vierteldrehung rechts, zwei Meter voraus. Los!«
Und tatsächlich: Mit einem kurzen Piepser quittierte das Metallinsekt den Befehl, krabbelte los und folgte exakt dem vorgegebenen Pfad.
Die Königin war sehr beeindruckt – doch das war noch nicht alles. Erneut setzte Mette Raupi am Ausgangspunkt auf den Boden und gab ihr denselben Befehl. Diesmal hatte sie aber einen Bauklotz in den Weg gelegt. Wieder lief das Metalltier den Weg ab, blieb vor dem Bauklotz aber einen Moment stehen und umrundete ihn dann kurzerhand.
»Faszinierend!«, sagte die Königin. »Deine Raupe befolgt Befehle, kann aber trotzdem selbstständig agieren. Das musst du mir mal etwas genauer erklären.«
»Gern«, sagte Mette und fing an, von Spracherkennung, Programmierung, Algorithmen und Codes zu berichten.
»Das ist ja alles total spannend«, musste Mama Marie zugeben. »Aber heißt das, dass du die Lust am Raketenbau erst einmal verloren hast?«
Mette setzte eine erstaunte Miene auf. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
Ein paar Wochen später rief Mette ihre Eltern wieder zusammen, als sie von der Schule kam.
»Ich muss euch etwas zeigen«, sagte sie. Behutsam holte sie eine etwa einen Meter große Metallfigur aus ihrer Tasche und stellte sie auf die Werkbank. »Darf ich euch SARI vorstellen?«
»SARI?«, fragte ihre Mutter.
»Genau«, sagte Mette, »das ist die Abkürzung für ›selbstständig arbeitende Roboter-Ingenieurin‹.«
Dann nahm sie die Baupläne eines ihrer aktuellen Raketenmodelle und breitete sie vor SARI aus.
»Okay, SARI!«, sagte sie. »Bau die Rakete nach! Los!«
Nach den ersten beiden Wörtern leuchteten die Augen des Roboters auf und ein kurzes glockenhelles Geräusch ertönte. Dann bewegte SARI ihren Kopf, schaute sich einige Augenblicke lang die Baupläne an, blickte sich um und fing an, auf der Werkbank hin und her zu laufen. Sie trug Baumaterial und Werkzeug zusammen und begann schließlich mit dem Zusammenbau. Einmal krabbelte sie sogar von der Werkbank herunter, um sich Teile zu suchen, die sie dort nicht finden konnte. Unter den immer größer werdenden Augen von Königin und König hatte sie binnen weniger Minuten die Rakete zusammengebaut und vor sich abgestellt. Erwartungsvoll schaute Mette ihre Eltern an, doch diese brachten zunächst kein Wort heraus.
»Das war …«, sagte der König schließlich.
»… beeindruckend«, beendete die Königin den Satz.
»Aber …«, sagte der König – und wünschte sich einen Moment später, er hätte es nicht gesagt. Denn wie konnte er es nach einer so beeindruckenden Vorstellung wagen, seiner Tochter mit einem »Aber« zu kommen?
Doch Mette sah ihn erwartungsvoll lächelnd an. »Was denn, Papa?«, fragte sie.
»Nun ja …«, sagte er. Jetzt konnte er seinen Einwand nicht mehr zurücknehmen. »Auch dieser eine Roboter, so wunderbar er ist, wird uns keine große Rakete bauen können, mit der wir zum Mond fliegen können. Wir bräuchten hunderte davon, wenn nicht mehr.«
Mettes Lächeln wurde noch ein ganz klein wenig breiter. »Okay, SARI!«, sagte sie. »Bau dich selbst nach! Los!«
»Stopp!«, riefen der König und die Königin wie aus einem Mund.
»Okay, SARI! Halt!«, sagte Mette und blickte ihre Eltern fragend an. Der kleine Roboter hielt in der gerade begonnenen Bewegung inne und rührte sich nicht mehr. »Was denn?«, fragte sie.
»Nun«, setzte die Königin an. »Maschinen, die sich selbst nachbauen können, können ganz schön gefährlich werden.«
»Wieso das denn?«, fragte Mette.
»Exponentielles Wachstum«, sagte der König. »Hast Du noch nie vom Zauberlehrling gehört? Oder von der Schachbrettaufgabe? Oder von grauem …«
»Papa!«, unterbrach ihn Mette. »In Kindersprache bitte!«
Königin Marie übernahm wieder. »Was dein Vater meint«, sagte sie, »ist Folgendes: Nachdem deine SARI sich nachgebaut hat, haben wir zwei SARIs, wenn diese beiden sich jeweils nachbauen, haben wir vier SARIs. Im nächsten Schritt sind es schon acht SARIs, dann sechzehn, dann zweiunddreißig und so weiter. Mit jedem Schritt verdoppeln sie sich. Nach zehn Schritten sind es schon über tausend, nach nochmal zehn …« Sie zählte einen Moment lang leise an ihren Fingern nach. »… über eine Million.«
»In kurzer Zeit«, sagte der König, »ist die ganze Welt mit SARIs überfüllt. Jedes verfügbare Material wird in SARIs umgebaut bis die Erde selbst nicht mehr da ist – nur noch Milliarden von SARIs, die alles, was es gibt, in noch mehr SARIs umbauen …«
Er hörte auf zu reden, als er merkte, dass Prinzessin Mette und Königin Marie ihn mit großen Augen anstarrten.
»Im Ernst jetzt?«, fragte Mette. »Glaubst du, an sowas hat unsere Lehrerin nicht gedacht? Egal was eine SARI gerade macht, man kann sie jederzeit mit dem Befehl ›Stopp‹ oder ›Halt‹ aufhören lassen. Sie hört auch auf ›Anhalten!‹, ›Aufhören!‹ und ›Lass das!‹ Beruhigt?«
Der König wollte etwas erwidern, doch Mette unterbrach ihn.
»Außerdem«, sagte sie, »hat SARI einen Schalter auf dem Rücken, mit dem man sie jederzeit ausmachen kann.«
König Manuel hob den Finger und öffnete den Mund.
»Und«, sagte Mette, »wir haben noch diese Fernbedienung gebaut, mit der man alle SARIs im Umkreis von hundert Metern ausschalten kann.« Sie holte ein kleines gelbes Metallkästchen mit einem großen roten Knopf darauf hervor.
Der König ließ den Finger sinken und machte seinen Mund zu.
Die Königin klatschte in die Hände und rief: »Prima! Ich sehe, du hast an alles gedacht, Mette. Dann machen wir uns mal an die Baupläne.«
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